Rettungskreuzer Ikarus Band 047 - Sudekas Traum
worden waren – in der nördlichen Hemisphäre, kurz vor dem Beginn der Eisgrenze –, herrschte Frühling. Die Temperatur war nur um wenige Grad gestiegen und würde auch im planetaren Sommer keinen Sprung machen.
Sudeka Provost stutzte und blätterte die Datenlisten durch, in dem sie die Pfeilsymbole des Displays antippte. Die Darstellung der Klimazonen, in denen das Landefeld hervorgehoben war, hatte sie auf eine Unregelmäßigkeit aufmerksam gemacht, die im Zusammenhang mit den Robotern stand. Sie überflog sämtliche Logbücher der Orbitalsonden, was nicht viel Zeit in Anspruch nahm, da sie im Laufe ihres Lebens gelernt hatte, relevante Informationen schnell zu erkennen.
Ihr rechtes Auge zuckte kurz.
Provost pfiff leise, als sie erkannte, dass das, was sie stutzig gemacht hatte, das Fehlen von Daten war: Die Explorationsdroiden sendeten nicht mehr. Keine Messwerte, keine Aufzeichnungen. Sie übermittelten nicht einmal mehr ihre Positionsangaben.
Sudeka Provost schloss die Datei, rief die dreidimensionale Karten der Planetenoberfläche auf und zoomte zu den Koordinaten des Höhlensystems, das die Explorationsdroiden entdeckt hatten. Sie blendete eine Luftaufnahme der Region ein und nickte. Vor dem Höhlensystem lag eine geröllübersäte Ebene, die als Landeplatz für die Solaria mehr als ausreichend war. Die Gesteinsbrocken waren zu klein, als dass diese das Raumschiff beim Aufsetzen hätten gefährden können – eine Mindestmaß an Vorsicht bei der Landung vorausgesetzt.
Provost gab die Koordinaten der Ebene in die Steuerkonsole ein, aktivierte den Autopiloten, rief das Programm für einen standardisierten Landeanflug auf eine Sauerstoffwelt auf und startete es.
Sie spürte, die die Solaria sanft die Bremstriebwerke zündete, den Bug senkte, kurz die Haupttriebwerke aktivierte und wieder abschaltete. Das Explorationsraumschiff glitt in den Sinkflug.
Auf dem Display der Navigationskonsole erschien eine schematische Darstellung des Landeanfluges. Die Solaria würde Fagor IV dreimal umkreisen und dabei ihre Höhe stetig verringern. Der Endpunkt der letzten Umrundung war identisch mit dem Landeplatz vor dem Höhlensystem. Provost hatte sich für dieses Landemanöver entschieden, um Treibstoff zu sparen.
Sie warf einen Blick auf den ebenfalls eingeblendeten Zeitindex. Kurz entschlossen rief sie die Liste der Opern auf und scrollte in der Datei weit nach unten: Der Pentakka als Liebhaber und Susannens Geheimnis von Ermanno Wolf-Ferrari, Eine Tragödie auf Abadon von Larissa Elessar, Der König Kandaules von Mered Aderthad …
Provost tippte den letzten Eintrag der Datei an. Sie regelte die Lautstärke herunter, und sanfte Klänge erfüllten die Steuerkanzel der Solaria. Provost nahm nicht an, während des automatischen Landeanfluges die Oper zu Ende hören zu können, doch für den ersten Akt sollte es genügen.
Die Solaria setzte sanft auf Fagor IV auf. Für einige Augenblicke zeigte der Panoramabildschirm hochgewirbelten Staub, der sich jedoch rasch senkte und den Blick auf die Ebene freigab: grauer Sand, von dem sich die verstreuten Gesteinsbrocken kaum abhoben. Die Sonne von Fagor IV stand schräg über der Solaria und warf einen Schatten über die Backbordseite.
Sudeka Provost wartete geduldig die Analyse der Atmosphäre des Planeten ab. Auf die Daten, die sie dem Explorationsbericht entnehmen konnte, wollte sie sich nicht verlassen: die Vorsicht einer erfahrenen Händlerin.
Die Daten erschienen auf dem Display der Pilotenkonsole: Der Sauerstoffgehalt lag bei vierzehn Prozent, die Temperatur nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Ein leichter Wind wehte. Keine Abweichung zu den Daten des Explorationsberichtes. Provost zuckte mit den Schultern und erhob sich. Für Fagor IV würde sie eine Thermokombination und eine Sauerstoffmaske benötigen. Eine Schutzbrille würde ihre Ausrüstung vervollständigen – für den Fall, dass der Wind zunahm –, neben einem Multifunktionshandscanner, Nahrungskonzentraten und Wasserflaschen.
Provost hätte Wert darauf gelegt, auch eine Laserpistole einzustecken. Doch ihre Vermutung, dass weder Lucius Robinson noch Emanuele Ferrante daran gedacht hatten, die Solaria mit einer tödlichen Handfeuerwaffe auszurüsten, hatte sich während des Fluges bestätigt. Sie hatte nur ein unhandliches Stunnergewehr vorgefunden, das offenbar zur Abwehr der aggressiven Fauna jener Planeten, auf denen das Explorationsraumschiff landen mochte, dienen sollte.
Sudeka
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