Rettungslos
lassen. Wenn der Mann die Küche verlässt, können sie in die Garage schleichen.
»Anouk«, flüstert sie.
Sofort ist das Gesicht ihrer Tochter so nah, dass ihre Nasen sich berühren. »Ja?«, flüstert das Kind.
»Ich tu so, als ob ich bewusstlos bin, dann lässt er
uns in Ruhe. Du darfst ihm nicht verraten, dass ich wach bin, ja?«
»Okay«, flüstert Anouk.
»Und wenn er aus der Küche geht, sagst du mir das ganz leise.«
»Ja.«
Lisa macht die Augen zu.
»Mama?«
»Pssst.«
Mucksmäuschenstill sitzt Anouk auf dem Sofa, und Lisa ist gerührt. Ihre liebe, tapfere, groÃe, kleine Tochter! Was für ein Unmensch muss man sein, einem solchen Kind Angst zu machen? Was auch passiert, sie wird um jeden Preis verhindern, dass er Anouk etwas antut, und wenn sie ihm die Augen auskratzen muss.
Schritte auf dem Parkett. Er ist wieder im Wohnzimmer. Ein paar Sekunden ist nichts zu hören, wahrscheinlich beobachtet er sie. Lisa späht durch die Wimpern und erkennt seine Umrisse, mehr aber auch nicht. Keinen Gesichtsausdruck. Was er wohl vorhat? Anouk lehnt sich an ihren Bauch, sie spürt die vertraute Wärme, die ihren Beschützerinstinkt aktiviert und ihr gleichzeitig klarmacht, wie verletzlich sie ist. Die Schritte gehen weiter zur Essecke und dann in den Flur. Sie merkt, dass Anouk sich zu ihr umdreht.
»Mama, jetzt ist er weg.«
Im Flur geht die Toilettentür, und kurz darauf plätschert es in die Kloschüssel. Vorsichtig richtet Lisa sich auf und stellt die FüÃe auf den Boden.
»Schnell«, sagt sie mit gedämpfter Stimme.
3
Von schnell kann jedoch keine Rede sein. Kaum steht Lisa aufrecht, kommt es ihr vor, als schwankten die Wände um sie herum. Ihre Hand sucht Anouks Schulter, und das Kind sieht sie besorgt an.
»Es geht schon. Komm, schnell zum Auto!«
Auf Zehenspitzen gehen sie durch die Küche und hören, wie der Mann die Toilettenspülung zieht.
Lisa nimmt ihre Tochter fest an die Hand und zieht sie durch die Waschküche.
In der Garage ist es dunkel, aber Lisa wagt es nicht, Licht zu machen. Mit einer knappen Geste fordert sie Anouk auf, sich hinten ins Auto zu setzen. Sie selbst tastet nach dem Griff des Garagentors. Quietschend und knarrend setzt es sich in Bewegung und gleitet nach einem kräftigen Schubs ganz auf, jedoch alles andere als leise. Sonnenlicht und frische Luft fluten in die Garage. Lisa dreht sich um, sieht ein Paar Stiefel und als sie den Blick hebt, eine zerschlissene Jeans und eine Hand mit einem groÃen Messer.
Bis zum Auto sind es nur wenige Schritte.
Lisa rennt darauf zu, reiÃt die Tür auf, lässt sich auf den Fahrersitz fallen â und sieht sofort, dass der Zündschlüssel nicht mehr steckt. Fluchend steigt sie wieder aus. Die Gegenwart des Mannes nimmt ihr die Luft zum Atmen.
»Mama!«
»Raus! Steig aus!«, schreit Lisa und rennt zur Werkbank am hinteren Ende der Garage. Sie rechnet jeden Moment damit, dass der Mann sie packt, hört aber nur, wie sich das Garagentor knarrend schlieÃt, und wieder ist es finster. In blinder Hast suchen ihre Hände das Holzregal ab. Sie findet den Werkzeugkasten, kramt darin und bekommt einen schweren Hammer zu fassen. Die ideale Waffe! Schnell dreht sie sich um, aber in der Dunkelheit sieht sie weder den Mann noch ihre Tochter.
»Anouk!«
Im gleichen Moment gehen die Neonröhren an. Erst flackern sie, dann leuchten sie die Garage gnadenlos aus. Der Mann steht links neben ihrem Auto, in dem Anouk rasch auf die andere Seite rutscht und hektisch an der Kindersicherung herumfummelt.
Jetzt kommt es auf jede Sekunde an. Reflexartig reiÃt Lisa die Autotür auf, in der anderen Hand hält sie den Hammer und hebt ihn drohend.
»Wenn du uns zu nah kommst, schlag ich dich tot, ich schwörâs bei Gott!«, ruft sie mit sich überschlagender Stimme.
Der Mann geht um die Motorhaube herum und drängt Lisa und Anouk, die inzwischen ausgestiegen
ist, nach hinten, in den dunkleren Bereich der Garage, wo es keinerlei Fluchtmöglichkeit gibt.
Lisa schiebt ihre Tochter hinter sich und holt mit dem Hammer aus, als ihr Widersacher näher kommt.
»Lass das Ding fallen, elendes Miststück!« Mit gezücktem Messer kommt er auf sie zu.
Der Hammer saust nach unten. Ein wütender Aufschrei verrät, dass Lisa getroffen hat, doch als sie erneut zum Angriff übergeht, spürt sie
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