Revierkönige (German Edition)
Metallauflage der Theke. Er blickte auf den Aschenbecher, in dem eine glühende Kippe ein Stück Cellophan ankokelte.
„Mit der Industrie ist es vorbei, das ist klar. Aber wenn es mit der Industrie vorbei ist, kommt eben was anderes, ganz einfach. Wer weiß, was dabei rauskommt, aber auf jeden Fall liegt darin eine Chance – wenn man flexibel ist, versteht sich. Hier hat der Strukturwandel begonnen, Mädchen! Noch nich mitgekriegt, he? Alles wird umgekrempelt. Statt Kohle wird die Kultur gefördert, der Pott wird zum Park.“
Vera sah auf die Uhr. „Ha, ha, ha!“ Sie riss den Mund weit auf. Der Freese sah nur zwei plombierte Zähne. Trotzdem unschön.
„Lach nich, das ist kein Scherz! Unsere dreckschleudernden Zechen werden zu sauberen Museen umfunktioniert und für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Mag es früher alles nicht gegeben haben, aber das heißt ja nicht, dass das immer so bleiben muss. Es gibt bald viel Raum und es gibt Bereitschaft, Bereitschaft, Vera! Mehr als in irgendeiner versnobten Großstadt. Und nicht zu vergessen: unsere sackleinentragenden Naturschützer bekommen immer mehr Biotope zum Spielen, an jeder Ecke wird geschützt und gepflanzt. Hier gibt´s bald keinen Flecken mehr, der nicht grün ist, sag ich dir.“
Vera spielte mit ihrer Uhr. „Das klingt alles wie im Märchen. Iss ja schön für euch, wenn sich die Struktur wandelt und die Kultur und die Blumen blühen. Aber wenn ich mir die Pottler so ansehe, hab ich meine Zweifel, ob sich der ganze Aufwand lohnt.“
„Da täusch dich mal nich. Hier wohnen auch nicht mehr Kulturbanausen als woanders. Übrigens, wie sieht´s denn mit dir aus? Du bist doch selber son Pottkind.“
Vera schüttelte energisch den Kopf. „Sechs Jahre bin ich jetzt weg. Ich kann mich mit dieser Gegend nicht mehr identifizieren, tut mir leid.“
„Na ja, so lange ist das auch noch nicht her. Außerdem hast du doch Verwandte hier, Freunde ..., nehm ich mal an.“
„Zu Besuch kommen ist was anderes. Ich wohne nicht mehr hier, ich lebe nicht hier. Ich bin echt froh, dass mein spießiger Architektenvater einmal im Leben was gewagt hat und damals das Angebot in Bayern angenommen hat. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, woanders zu wohnen als in München.“ Vera trank einen Schluck Bier, sah nicht auf die Uhr und bekam rote Bäckchen. „Weißt du, was mich hier stört? Wenn du aus der Stadt rausfährst, um ein bisschen Natur zu genießen, hast du immer das Gefühl, es ist keine richtige Natur. Du stapfst durch den Wald und kommst auf eine Lichtung, und was siehst du in der Ferne? Den fetten Hoesch-Turm! Oder irgendson Gasometer, Schlote, irgendein hässliches Teil bestimmt. In dem Moment weißt du wieder, wo du bist und kriegst den großen Frust.“
Der Freese zuckte mit den Achseln. Er selber stapfte nicht durch Wiesen und Wälder auf der Suche nach reiner Luft. Vera faselte zwar von Natur und sprach abfällig über Schlote, qualmte aber selber wie einer. Dauernd sah sie auf die Uhr und hatte bereits drei Limes und ein Bier weg. Das Mädchen schien echte Probleme zu haben, vielleicht konnte der Freese zu ihrer Lösung beitragen, auf seine Weise natürlich. Er rückte näher an sie heran. Er hatte den kleinen silbernen Ohrstecker vor Augen.
„Mann ej, ich hab euch schon gesucht! Steht hier in der Ecke. Happter was zu verbergen?“
Hinter ihnen stand ein Großstadtcowboy nach der Arbeit. Er trug eine schwarze Lederhose, dezente Cowboystiefel und ein schwarz-weißes Hemd im Cowboy-Stil, dazu ein Lederband mit einem Türkis als Halsschmuck. Freese beobachtete Veras strahlendes Gesicht.
„Wieso bestellste dir nich was anderes, Wein oder so?“
Vera schluckte und antwortete etwas. Olaf fasste sie um die Taille und beugte sich zu ihr hinunter. Er sagte ihr etwas ins Ohr, sie lachte, lachte unter einem Anflug von Enttäuschung. Dann verschwand er.
„Wo rennt der denn schon wieder hin?“
„Flirten wahrscheinlich. Irgend´ne Martina ist gekommen.“
„Klingt ja nicht sehr froh.“
Sie lächelten sich zu. Für einen verlängerten Moment sahen sie sich in die Augen, so als hätten sie sich erkannt. Er hakte sich vertraulich bei ihr unter. Sie bewegte sich nicht.
„Sag mal, wie kommt eine Frau wie du an den alten Spargel? Das kapier ich nich.“
„Wieso?“
„Tu nicht so, du weißt, was ich meine. Du könntest doch wohl ganz andere Typen haben.“
„Will ich aber nicht.“
„Sag nicht, dass du den etwa
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