Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
betrachtete, wie sich die Wipfel der Bäume unter ihm bogen und ihre Blätter durch die Lüfte tanzten. Gleichzeitig hörte sie das klägliche Jaulen der Wölfe, die nun rasch nacheinander unter Folter und Qualen den Tod fanden.
Zweites Kapitel: Obskure Besinnung
N’thaldurs schmale Lippen verzogen sich zu einem ironischen Lächeln. Seine Mundwinkel zuckten unmerklich, doch er spürte es nicht. Seine Gedanken waren wie gefesselt, fixiert auf die Visionen, die sich vor seinem inneren Auge abspielten.
Seit Stunden schon verharrte der Finstermagier regungslos auf seinem Thronsitz, nicht ansprechbar und geistig vollkommen abgeschottet gegenüber jeglicher Empfindung, welche die Realität ihm zu bieten hatte. Er spürte weder die eisige Kälte, die in dem ihn umgebenden Saal fast greifbar war, noch bemerkte er die sachten Windstöße, die durch sein langes, schwarzes Haar wehten und seine wallenden, schwarzen Gewänder flattern ließen.
Der Saal, in dem er sich befand, war nahezu finster. Ebenso war es der gesamte Turm, in dem N’thaldur lebte und herrschte.
Dieser Turm war eins mit N’thaldur, vibrierte unter seiner Macht und schlug im Einklang mit seiner Seele. Die Wände schrien förmlich vor Schmerz und Pein, während die Mauern und Decken ständig in Bewegung waren, um der immerwährend pulsierenden Energie der Finsternis Freiraum und Durchgang zu gewähren.
Seine Mauern waren eine Bastion gegen feindliche Angreifer. Ihre Struktur machte die Festung uneinnehmbar, und dennoch waren die Wände durchlässig für die Ströme der dunklen Magie, für den Äther der Finsternis. Diese Energien wurden von N’thaldur und seinem Turm fortwährend angezogen. Im Inneren der Festung formten sie sich zu einem wirbelnden Quell schäumender Magie, durch den Finstermagier jederzeit anzapfbar.
Er war der Fürst der Finsternis, beherrschte die schwarze Magie und alle finsteren Kreaturen im Norden Bønfjatgars – alle außer den Dunkelelfen. Dieses Volk setzte sich seit jeher vehement gegen N’thaldur zur Wehr, verlangte seine eigene Autarkie, seine eigenen Grenzen und seine eigenen Fürsten. N’thaldur war für die Dunkelelfen in diesem Land nichts weiter als ein Name, hinter dem sich ein Zauberer verbarg, der einst ein Mensch gewesen war.
Doch dieses Menschsein lag viele Jahrhunderte zurück. N’thaldur war es einst gelungen, durch seine Zauberkraft ewiges Leben zu gewinnen. Das Leben eines Untoten zwar, doch war es ein unsterbliches Leben, ein Dasein, das dem Finstermagier Ruhm und unendliche Macht zusicherte. Sein Leben versprach ihm nun die gleichen Vorzüge, die auch die Dunkelelfen und alle anderen unsterblichen Wesen Thargannions genossen. Ebenso wie die von Geburt an unsterblichen Kreaturen dieser Welt vermochte auch N’thaldur zwar durch Verletzungen oder Magie zu sterben. Im Gegensatz zu den schon von sich aus unsterblichen Wesen allerdings konnten Gifte und Krankheiten ihm nichts anhaben. Gegen Emotionen oder feindselige Angriffe auf seine mentalen und psychischen Fähigkeiten oder sein Bewusstsein war er ebenfalls resistent.
Die Dunkelelfen, die ebenfalls im Norden des Landes lebten, waren N’thaldur schon zu der Zeit ein Dorn im Auge gewesen, als er noch ein menschlicher Magier gewesen war, ein aufstrebender Zauberer der finsteren Mächte. Sie herrschten über das Reich Cethel-Thán-Dûr, ein großes, waldreiches Land, das im Süden an die Nordmarken grenzte – das Gebiet, in dem N’thaldurs Festung stand.
Der Jarl der Menschen, der die Nordmarken politisch beherrschte, tolerierte den Finstermagier. Beide lebten in Frieden innerhalb der gleichen Grenzen. N’thaldur, der aufgrund seiner finsteren Gesinnung im gesamten Land verfolgt werden würde, genoss den Schutz des Jarls, der ihn in seinen Grenzen ungehindert leben und agieren ließ. Der Jarl vertraute auf den Schutz der Magie, den N’thaldur ihm und seinem Reich zuteilwerden ließ, sobald die Nordmarken Opfer eines Angriffs wurden. Zwar lediglich geduldet war N’thaldur der unernannte Herrscher über die Nordmarken – Fall und Aufstieg dieses Reichs waren von seiner Gunst und seiner Gnade abhängig.
Die Dunkelelfen allerdings, direkte Nachbarn des Königreiches des Jarls, strebten schon immer danach, den Menschen ihr Reich streitig zu machen und es für sich zu erobern. Lhagaîlan daé Yazyðor, der Fürst Cethel-Thán-Dûrs, war ein kriegstreiberischer Sícyr´Glýnħ, beseelt von dem Bestreben, die Grenzen seines Landes immer weiter
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