Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
hinterher, als N’thaldur aus der Trance erwachte. „Denke an meine Worte!“
Ein inbrünstiger Seufzer entströmte seiner Kehle. N’thaldur schlug nach Luft schnappend die Augen auf. Sein Bewusstsein wiedererlangend streifte er den Helm vom Kopf. Mit seinen dünnen Fingern strich er durch sein schwarzes Haar, das ihm weit über die Schultern herabhing.
Ein kaltes Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Genießerisch ließ der Finstermagier die Gelenke seiner Finger knacken.
„Der Fürst von Cethel-Thán-Dûr wird die Erfüllung seiner Befehle nicht erleben.“
Der Zauberer ließ sich von einem seiner zahllosen Bediensteten das dicke, in Elfenleder eingebundene Buch bringen, in das er seine Beobachtungen und Pläne einzutragen pflegte, sowie seine magische Schreibfeder. Die Seiten des von eisernen Schlössern geschützten Folianten waren aus dickem Pergament aus Menschenhaut gefertigt. Die in kleinen, kaum leserlichen Zeichen über die Seiten verteilten Schriftzeichen waren mit dem eigenen Blut des Zauberers geschrieben.
N’thaldur lehnte sich in seinem Thron zurück, hob eine lange Dämonenfeder in die Höhe und warf einen kurzen Blick auf die geschärfte Spitze des Schreibwerkzeugs. Dann ließ er die Feder beherzt nach unten schnellen und stach, ohne mit der Wimper zu zucken, in seinen Unterarm. Langsam sog sich der Kiel mit Blut voll. Steif und hölzern, doch für seine Verhältnisse durchaus entspannt, saß der Finsterzauberer auf seinem Thron.
Harsch stieß die Feder auf das Pergament.
„Wenn es mir nicht gelingt, diesen Rhavîn aufzuhalten und die Pläne Lhagaîlan daé Yazyðors zu durchkreuzen, werden die verfluchten Dunkelelfen ihre Macht ausweiten“, murmelte N’thaldur grimmig. „Wenn ich ihnen allerdings zuvorkommen kann, sie aufzuhalten und mich ihnen erfolgreich in den Weg zu stellen vermag, werden sie wissen, dass die Macht im Norden allein mir gebührt.“ Ein kaltes Lächeln huschte über seine Lippen. Er zischte: „Rhavîn, von dieser Stunde an darfst du einen neuen Feind dein eigen nennen. Einen Feind, einflussreicher als der Wind, kälter als das Eis und grausamer als der Tod.“
So verbrachte der selbst ernannte Fürst des Nordens den Rest des Tages damit, sich einen fruchtbaren Plan zu ersinnen, der dem Fürsten der Sícyr´Glýnħ in die Quere kommen und letztendlich ihm und seinem Volk das Genick brechen sollte. N’thaldur wollte dieses Vorhaben nicht in einer offenen Konfrontation durchsetzen, sondern vielmehr durch den Einsatz seiner magischen Kräfte beweisen, dass ihm die Macht zu eigen war, die Vorherrschaft in den Nordmarken zu beanspruchen und alle Feinde weit hinter sich zurückzulassen.
Der Finstermagier war ein Liebhaber von Intrigen, der seinen Feinden auf verstecktem Wege bedeutete, dass er mächtiger und intelligenter war, als sie. Offene Auseinandersetzungen und Kämpfe mied er, sie waren ihm nicht feinfühlig und subtil genug. N’thaldur war es gewohnt, seine Kriege so zu führen, wie er es vorgab, nicht, wie der Feind es wollte.
Drittes Kapitel: Bluthatz
Nach einiger Zeit des einsamen Ausharrens zwischen den Bäumen hatte sich Auriel wieder in die Nähe des Waldrandes gewagt. Noch immer fern von der riesigen Eiche und dem Ritual, aber dennoch nahe genug, um alles erkennen zu können, lehnte sie an dem kalten, glatten Stamm einer Buche und beobachtete voll Wehmut und Trauer den Fortgang der Kulthandlungen.
Niemand konnte sie erkennen, ihr Körper wurde von einer magischen Aura umgeben, die Auriel tarnte und sie samt ihrer Kleidung und Ausrüstung mit der Umgebung verschmelzen ließ. Hätte jemand dorthin geschaut, wo die zierliche Hexerin stand, hätte er nichts weiter erblickt, als wehende Sträucher und dunkle Baumstämme. Auriel hatte diese magische Aura vorsichtshalber beschworen, da sie nicht Gefahr laufen wollte, dass ihr Mentor sie erblicken, und für ihr schändliches Verhalten zur Rede stellen würde.
Von lauten Gesängen und Trommelspiel begleitet wurden die in Käfige gesperrten oder gefesselten Opfer der Reihe nach auf die Lichtung geführt. Nach den Wölfen wurden Füchse qualvoll hingerichtet, anschließend mussten neun Feldhasen unter dem blutdürstigen Blick des Hohepriesters ihr Leben lassen.
Auriel wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis die Menschenopfer an der Reihe waren. Nicht bloß einfache Bauern, Handwerker oder Fischer hatte der Hohepriester zu diesem Opferritus auserwählt, auch Priester waren unter ihnen
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