Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
beginne sie zu mögen.
„Pah!“ Rhavîn schnaubte. Er schleuderte das Fleisch in den Wald hinein und stand vom Boden auf, ohne Auriel länger zu beachten. Der Dunkelelf konnte seine eigenen Gedanken nicht ertragen, er hasste sich für seine Willensschwäche. Er versuchte sich einzureden, dass seine vermeintlichen Gefühle für Auriel in Wahrheit das Drängen seines Körpers war, sich auf schnellem Wege Lust und Befriedigung zu verschaffen.
Wortlos packte Rhavîn seine Sachen zusammen, steckte den Spieß mit den noch lebenden Insekten ein, wischte die Klingen seiner Schwerter vom Blut der Dämonen sauber und wartete darauf, dass Nymion zurückkehrte.
Wenige Augenblicke später tauchte das schwarze Einhorn in Begleitung des Anderdachters zwischen den Bäumen auf und forderte Rhavîn und Auriel zum Abmarsch auf.
„Wir brechen auf, meine Gefährten“, bedeutete er mit sonorer Stimme. „Unser Weg ist weit, Dragelund liegt fern von uns im Norden.“
Rhavîn und Auriel löschten das Feuer. Bevor sie aufbrachen, suchten sie ihre Habseligkeiten zusammen. Kentaro lief sichtbar erfreut zu seiner Gefährtin hinüber und wich ihr in den kommenden Stunden kaum mehr von der Seite.
Die vier ungleichen Kameraden setzten ihren Weg in Richtung Dragelund fort, immerzu einem unsichtbaren Pfad durch den dichten Wald folgend, der trotz des voranschreitenden Herbstes eine beinah magisch grüne Aura ausstrahlte.
„Weshalb bloß wirkt dieser Wald so grün?“, fragte Auriel zu sich selbst gewandt. Die Hexerin warf einen nachdenklichen Blick zu den Kronen der Bäume empor. Einige von ihnen waren bereits nahezu kahl, während andere noch immer von bunt gefärbtem Herbstlaub geziert wurden. Dabei dominierten allerdings gelbe und rote Farben, wohingegen man Grün kaum erblicken konnte.
Bei jedem Schritt raschelten die herabgefallenen Blätter unter ihren Füßen. Immer wieder trieb ein heftiger Windstoß Laub und Blätter in die Höhe, um sie in einem heiteren Spiel durch den Wald zu jagen.
Goldene Sonnenstrahlen brachen durch die Blätterkronen, zeichneten helle Lichtpunkte auf den weichen Waldboden. Überall zwischen den Bäumen wuchs dichtes, grünes Unterholz, während sich silberne Bäche plätschernd ihren Weg zwischen Moos, Wurzeln und Farnen hindurchbahnten. Lediglich die zahlreich umherliegenden Findlinge stellten Hindernisse dar, die für die zierlichen Gewässer einzig durch eine Biegung zu überwinden waren.
Zunächst sprachen Auriel und Rhavîn nicht viel miteinander. Dann jedoch berichtete die Hexerin auf Rhavîns Nachfrage, weshalb sie völlig allein in diesem Wald weilte. Sie erzählte ihm von dem Thyng-Hân Ritual und dem plötzlichen Einfall der Priester und Ordenskrieger, die den heiligen Ort mit einem Massaker entweiht hatten.
„Da ich fliehen konnte, bin ich mir absolut sicher, dass die Götter noch Großes mit mir vorhaben“, erklärte Auriel zum Abschluss stolz. „Wäre dem nicht so, hätten sie mich wie viele meiner Brüder und Schwestern in die Flammen gestoßen.“
„Großes, ja?“, höhnte Rhavîn. Er lachte die junge Frau überheblich an.
„Allerdings!“ Auriel war beleidigt. Sie erzählte Rhavîn daher energisch von den Träumen, die sie seit einigen Tagen in der Nacht begleiteten. Die Hexerin berichtete davon, dass sie Landschaften, eine Reise und Rhavîn in jeder Nacht vor sich sah und davon, dass sie jedes Mal ein Gefühl verspürte, das ihr vermittelte, dass noch große Aufgaben auf sie warteten.
„Die Götter wissen, wen sie weshalb mit welchen Aufgaben betrauen, Rhavîn Khervas!“ Auriel schwieg mit einem triumphalen Gefühl in ihrer Brust, das noch verstärkt wurde, als sie bemerkte, dass Rhavîn aufgrund ihrer Worte nachdenklich wurde.
Nach einigen Stunden des Wanderns befand Nymion, dass sie schneller vorankämen, wenn Auriel und Rhavîn nicht zu Fuß gehen würden, und teilte den beiden mit, dass sie den Rest des Weges reitend zurücklegen sollten.
Auch Kentaro war mit dieser Entscheidung einverstanden und ließ Auriel auf seinen Rücken klettern, während Rhavîn geschwind auf das schwarze Einhorn stieg.
Da die beiden Tiere trotz des dichten Unterholzes gute und trittfeste Pfade auszumachen vermochten, kamen sie tatsächlich deutlich schneller voran – Kentaro und Nymion eilten durch den Wald, als würde der Wind selbst ihr Weggefährte sein.
So ritten Auriel und Rhavîn den gesamten Tag durch den herbstlichen Forst, der zunächst von den letzten wärmenden
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