Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
gebot Respekt. Die Zauberer im Kreis begannen sogleich damit, die Opferstätte für das Ritual herzurichten. Der Blick des Hohepriesters wandte sich zu den Hügeln. Mit prüfenden Blicken suchte er nach Auriel.
Die Zauberer entzündeten dicke Kerzen, die sie in einem festgelegten Muster auf der Lichtung verteilten, schnitten Taue zurecht und entflammten in schmiedeeisernen Schalen duftendes Räucherwerk.
Einige entfernten sich von der Gruppe, um wieder zwischen den Bäumen des nahen Waldes zu verschwinden, während die Übrigen mit magischer Kreide leuchtende Symbole und Runen auf den grasbewachsenen Boden zeichneten. Sie weihten die Lichtung auf diese Weise für das bevorstehende Ritual.
Wenig später sprudelten magische Symbole und Ornamente in gleißendem lila Licht aus dem Boden hervor, die sich tief in die Erde fraßen. Die Pflanzen in ihrer Nähe verbrannten zu schwarzer Asche.
Der Singsang wurde lauter, der Klang der Trommeln immer eindringlicher. Einige der Anwesenden hüllten sich in den glimmernden Rauch betörenden Pfeifenkrautes, andere versetzten sich mit berauschenden Trünken und Speisen in Trance oder waren noch von vorausgegangenen Handlungen angeheitert. Nur wenige Zauberer wohnten dem Ritual klaren Geistes bei. Jeden verlangte danach, dieses wichtige Ereignis so intensiv wie möglich zu erleben. Die unterschiedlichsten Gerüche mischten sich mit vielfarbigem Pfeifenrauch. Anrufungen, Flüche und Beschwörungsformeln strömten aus zahllosen Kehlen in die Nacht. Die Luft war schwül und stickig, sie hüllte die Mitglieder des Hexerzirkels in Geborgenheit.
Der Hohepriester hatte Auriel indes erblickt. Er winkte ihr auffordernd zu. Gleichzeitig donnerte er mit tiefer Stimme: „Brüder und Schwestern! Wie Ihr wisst, kann das Thyng-Hân Ritual nicht vom Hohepriester allein vollführt werden. Er braucht einen fähigen Zauberer an seiner Seite, der ihm hilft und ihm bei der Ausübung des Rituals zur Hand geht.“ Der Hohepriester winkte noch einmal, diesmal mit unerbittlicher Strenge, in Auriels Richtung. „Ich habe mir, allen Traditionen zum Trotz, Auriel als Begleiterin für diese Nacht ausgewählt.“
Ein Raunen ging durch die Menge, Tuscheln erhob sich. Die Zauberer, die Auriel kannten, wussten, dass die junge Frau ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen hatte und es ihr somit eigentlich nicht erlaubt war, diesem wichtigen Ritus beizuwohnen.
„Schweigt!“, gebot der Hohepriester. „Sie ist eine Novizin, ganz recht. Aber sie ist meine Schülerin und ich erachte sie schon vor Abschluss ihrer Ausbildung für fähig und verständig genug, das Ritual an meiner Seite zu vollziehen.“ Seine Worte waren Gesetz, die Zauberer verstummten.
Auriel schritt den Hügel hinab. Ihr Herz pochte, als wollte es ihre Kleider zersprengen, das Blut wallte heiß durch ihre Adern. Die junge Frau spürte etliche Blicke auf sich gerichtet, sobald sie die schützende Dunkelheit des Waldrandes verließ und in den weitreichenden Schein der großen Feuer trat.
„Auriel ist weiser, als ihr Alter verraten mag und beherrschte bereits nach kürzester Zeit der Ausbildung viele Zauber, die sie konzentriert und geschickt zu wirken weiß“, fuhr der Hohepriester fort. Er begutachtete gebieterisch, wie weit die Vorbereitungen vorangeschritten waren. „Da ich sie selbst ausbilde, kann ich Auriels Fähigkeiten beurteilen und weiß, dass sie dereinst eine große Künstlerin der Magie und eine der mächtigsten Hexerinnen Bønfjatgars sein wird.“ Düster schweifte sein Blick über die Menge, prüfend harrte er den Reaktionen der Zauberer. Dann merkte er an: „Ich erkläre das, weil viele von Euch von weit her angereist sind und weder mich noch meine Schülerin persönlich kennen.“
Auriel betrat die Lichtung mit Schamesröte im Gesicht. Verlegen senkte sie für einen Moment den Blick. Doch der Stolz über die Worte des Obersten ließ sie rasch aufrecht weiter auf ihn zugehen. Ich wusste, dass ich fähig bin, bald die höchsten Gipfel der schwarzen Pfade zu erklimmen , dachte sie lüstern. Sie genoss die nervöse Vorfreude, die in ihren Körper schoss.
„Hier ist sie nun also – Auriel!“ Unsanft umfasste er den Arm der Zauberin. Der Hohepriester zog die junge Novizin zu sich heran. „Zeige dich der Meute, mein Kind.“ Der finstere Zauberer presste die zierliche Frau für einen kurzen Augenblick an sich. Er sog ihren Duft ein, strich wie beiläufig über ihren Körper.
Auriel erhaschte einen kurzen Blick unter die
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