Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
Waffen und die übrigen Gegenstände vom Boden auf. Auf leisen Sohlen trug er sie zu dem Holzpfahl hinüber und legte sie bis auf die Basiliskenzunge der Hexerin ab. Mit einem prüfenden Blick auf Auriel wog er den Dolch in der Hand, dann schnellte er vor und zerschnitt ihre Fesseln in einem Zug. Die gewundene Waffe ließ er mit der gleichen Bewegung achtlos zu Boden fallen.
„So“, schnaubte Auriel einen Augenblick später, griff nach ihrer Waffe und sprang auf. Die Hexerin jagte vor, holte aus und wirbelte den Dolch durch die Luft. Ungebremst stürmte sie auf Rhavîn zu, attackierte ihn. Erst, als die Klinge die Haut an seinem Hals berührte, hielt sie inne, ohne ihn zu verletzen. Ihr Blick streifte die traurigen Augen des Sícyr´Glýnħ.
Er hat nicht einmal zusammengezuckt. Auriel wurde von Unglück übermannt. In ihr wuchs das Verlangen, sich in die Arme des Mannes zu kauern. Diese Sehnsucht ignorierend erklärte sie mit zitternder aber entschlossener Stimme: „Ich werde dir einen Eid leisten, Rhavîn. Einen Blutschwur. Sodass wir den heutigen Tag niemals vergessen werden.“
„Einen Blutschwur?“ Rhavîn klang unsicher.
Ein Blutschwur war eine uralte Form einen Eid zu leisten – ein Gelöbnis, das man ohne die Einwirkung von Magie nicht schwören konnte. Hohe Herrn hatten diesen Schwur bereits vor Jahrhunderten angewandt, um ihre Untergebenen auf ewig an sich zu binden. Das Gelübde band den Ausführenden für den Rest seines Lebens an seinen Herrn. Versagte er in seiner Pflicht oder brach er den Schwur, so stand dem Herrn das Recht und die Pflicht zu, seinen Diener zu töten. Jemanden, der einen Blutschwur gebrochen hatte, erkannte man an einem Mal, erzeugt durch die Magie, die dem Schwur innewohnte. Dieses Mal wuchs von selbst auf dem Frevler und stellte eine blutrote Schlange dar, die sich um seinen Kopf wand – sichtbar für jeden.
„Einen Blutschwur?“, wiederholte Rhavîn kraftlos.
„Ich unterwerfe mich dir, Rhavîn Khervas. Ich werde mich ewig an dich binden und geloben, niemals rückfällig zu werden und mich niemals wieder meinen Gefühlen hinzugeben, solange ich lebe“, erklärte Auriel mit ernster, aber trauriger Stimme. „Du wirst mein Herr sein und ich als deine Untergebene auf ewig an dich gebunden, bis du mich tötest oder ich auf anderem Wege sterbe.“
„Wenn du deinen Schwur brichst ...“ Rhavîns Stimme brach, er konnte den Satz nicht beenden.
„Wenn ich versage, wird das Mal mich zeichnen und du wirst mich töten“, ergänzte die Hexerin seine Gedanken. Beide wussten um die Endgültigkeit dieses Schwurs. Es war ein Ritus der finsteren Magie, ein mächtiger Eid, der nicht mehr zu brechen war, wenn er einmal die Lippen des Zaubernden verlassen hatte. „Der Schwur gilt für immer, auf alle Zeiten.“
„Nein!“, schrie Rhavîn herrisch. „Nein, Auriel, das möchte ich nicht! Um keinen Preis!“
„Doch. Du wolltest einen Beweis von mir und du wirst ihn erhalten.“ Auriels Lippen bebten. Die Hexerin sah zu, wie sich Rhavîn wand. Er quälte sich, sie spürte den Zwiespalt, der in ihm tobte. Der Dunkelelf wirkte aufgelöst. Auriel konnte es kaum ertragen, den Mann, den sie liebte, so leiden zu sehen. Doch sie konnte nicht anders. Sie musste stark bleiben, ihn dazu zwingen, ihr einen Blutschwur abzunehmen.
„Ich werde nicht an deinem Schwur teilnehmen und das muss ich zu seinem Gelingen, das weißt du ebenso gut wie ich. Schließlich wäre ich ein Teil deines Eides, würdest du ihn tatsächlich aussprechen wollen.“ Rhavîn war hin und hergerissen zwischen seinen Plänen und der Zuneigung zu Auriel. Er konnte nicht zulassen, dass sie sich selbst verriet, nur um ihm zu beweisen, dass sie gefühlskalt und grausam sein konnte.
Andererseits besäße ich nach der Anwendung des Blutschwurs eine treu ergebene Dienerin ... verlockend! Rhavîns Augen blitzten boshaft auf. Nein, verflucht! Ich kann nicht länger so tun, als bedeutete sie mir nichts. Ich bin eben nicht so, wie die meisten Sícyr´Glýnħ ... es wird Zeit, dass ich meine Andersartigkeiten akzeptiere.
Inzwischen war die Sonne aufgegangen und warf ihre noch kühlen Strahlen durch die Gitterstäbe in die Höhle. Doch trotz der Helligkeit des Tages hing eine fast greifbare Bedrückung wie ein unsichtbarer, dunkler Schatten über der Höhle. Er trennte seine Gefangenen, obgleich sie zueinander wollten, hemmte ihre Gefühle und lenkte sie in Bahnen, die unheilvollen Gesetzen folgten.
„Ich verbiete es dir!“,
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