Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 1 (German Edition)
aus. „Für dich kehre ich dorthin zurück, wo ich hergekommen bin. Für dich wandle ich mich in die kaltherzige, grausame Hexerin, die ich noch vor wenigen Tagen war. Für dich werde ich morden, gefühllos das Leben anderer Wesen verachten und schänden. Und allein für dich werde ich vergessen, wie schön, wie wärmend die Liebe und wie traurig und Trost spendend die Sehnsucht ist.“ Auriel atmete hörbar ein und rief dann beißend: „Ich schleudere dir all meine Gefühle zu Füßen, sie bedeuten mir nichts! Befreie mich und ich werde es dir beweisen!“
„Aber, Auriel!“ Rhavîn wäre am liebsten seinem Impuls gefolgt, zu der jungen Frau zu stürzen, sie in seine Arme zu schließen und sie zu trösten. Da er sie aber von sich fortjagen wollte, um sie somit zu schützen, zögerte er und blieb mit gespielt unberührter Miene vor ihr stehen.
„Ich schwöre dir, dass ich all meine Gefühle vergessen und zu meinen Wurzeln zurückkehren werde, damit ich dich begleiten darf, Rhavîn.“ Ihre Augen blickten weiterhin vom Zorn überwältigt zu dem Dunkelelfen auf, doch perlten Tränen aus ihnen hervor, als sie sagte: „Lass mich nur noch einmal Gefühle zeigen und dir sagen, dass ich dich wirklich liebe. In dem Augenblick, in dem ich ein Mensch bin, und ich meine einen wirklichen Menschen, bin ich verliebt in dich, Rhavîn. Doch in Zukunft werde ich deine Begleiterin sein, keine Freundin, doch eine Begleiterin, auf der Suche nach Reichtum und Macht.“ Auriel schluckte hörbar. Leiser fügte sie hinzu: „Doch welchen Weg auch immer du mir gestattest, eines haben sie gemeinsam ... ich werde nicht mehr ohne dich sein müssen. Ich liebe dich und vielleicht wirst du mich irgendwann verstehen.“ Die junge Frau schlug die Augen nieder, ihr ganzer Körper zitterte und über ihre bebenden Lippen tropften ihre Tränen zum Boden.
Rhavîn stand steif wie ein Baum vor ihr. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Auriels Worte klangen in seinem Kopf nach, gruben sich schmerzhaft in seine Eingeweide.
Alles wiederholt sich. Habe nicht ich selbst vor vielen Jahren so zu meinem Vater gesprochen? Habe ich nicht damals, als ich noch ein Kind war, meinem Vater meine Gefühle offenbart, nur um sie ihm einen Augenblick später ebenfalls zu Füßen zu werfen, damit er sie zertreten konnte? Auch ich habe ihm geschworen, ihm zuliebe auf alles zu verzichten, was ich fühlte. Nur, um seine Achtung zu gewinnen, um sein Sohn bleiben zu dürfen ... Wie gern hätte er Auriel in diesem Moment gestanden, dass er ebenso fühlte, wie sie. Stattdessen aber entgegnete er ihr mit kühler Stimme: „Du würdest dich niemals ändern, Auriel. Du bist ein Náiréagh, ein Mensch. Wankelmütig und biegsam wie Gras.“
Vermutlich ist es tatsächlich so. Alle Menschen sind gleich! Ich spüre, wie Hass in meinem Herzen aufkeimt – Hass gegen mich und meine Schwäche. Ich bin ebenso ein Schwächling, wie die Náiréagh es sind. Ich bin wankelmütig, meinem Volk untreu und habe zudem den Schwur meines Vaters zum wiederholten Mal gebrochen. Ich begreife nicht, wieso ich bei Auriel so schwach werde, dass diese Gefühle der Zuneigung einen Weg in meine Gedanken finden können ... Ich wäre glücklich, wüsste ich eine Möglichkeit, diese Gefühle zu vertreiben und Zuneigung und Sorge endgültig aus meinem Herzen zu jagen.
„Nein!“, fauchte Auriel hysterisch. „Nein, bei den Göttern, das bin ich nicht!“ Sie blickte ihn mit einer Entschlossenheit an, die Rhavîn besorgt zurückweichen und die Gedanken an seinen Schwur vergessen ließ.
Soll ich dieses Spiel wirklich weitertreiben? Kann ich es riskieren, dass sich Auriel wahrhaftig ändert? Dass sie alle Eigenschaften verliert, die ich an ihr lieb gewonnen habe? Rhavîn fragte sich, ob es nicht genau ihre menschlichen Schwächen waren, zu denen er sich so sehr hingezogen fühlte.
Seine innere Stimme ignorierend erwiderte der Dunkelelf: „Wie willst du es mir beweisen, Auriel? Wenn ich dir einfach so glaube und dich mitnehme ...“
„Ich werde es dir beweisen, Rhavîn Khervas! Gib nur acht!“, versicherte Auriel mit rasendem Blick. Ihr Atem ging immer schneller. Sie Körper wirkte, als könne ihr Kreislauf jeden Augenblick versagen. „Befreie meine Arme und gib mir meinen Dolch. Ich werde es dir beweisen.“
„Was hast du vor?“ Langsamen Schrittes ging Rhavîn zum Eingang der Höhle hinüber, versicherte sich, dass niemand in der Nähe war, der ihn beobachten konnte, und hob seine und Auriels
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