Rheines Gold
dieser Antwort war?
Zu gerne hätte sie auch von Halvor Erkundigungen eingezogen oder von den Männern im Wasserkastell. Aber Halvor war im Wald verschwunden und ging seinen eigenen Beschäftigungen nach. Den Aquarius und seine Leute hingegen wollte sie nicht ohne Beisein von Silvian befragen. Und mit Sabina Gallina wollte sie eigentlich noch einmal über Oda sprechen, denn die Germanin war schon zweimal in ihrer Gesellschaft erschienen. Aber an dieser Unterhaltung war sie ja nun gehindert worden.
Mit Bangen fragte sie sich, wer die Männer waren, die sie hier verschleppten. Irgendwann würden sie wohl eine Rast machen müssen. Rufina spähte noch einmal zwischen den Weidenzweigen hindurch und sah den Weg nun durch die Felder führen. Der Korb schwankte gleichmäßig im Schritt der Träger, und mit einem Mal hatte sie eine Idee, wie sie sie zum Anhalten bringen konnte. Mit ihrer ganzen Körperkraft begann sie, sich in das Schaukeln hineinzulegen, wodurch der Korb immer heftiger anfing, an den Tragstangen zu schwingen. Das musste den Männern auf den Schultern unangenehm werden, und richtig, schon nach wenigen Schritten wurde der Korb abgesetzt.
»Aufhören, Kleine, sonst dich fester schnüren!«, sagte eine tiefe Stimme, in der ein amüsiertes Lachen mitschwang. Es war ein fehlerhaftes Latein, das der Mann sprach, und sein Akzent verriet den Germanen.
Rufina hatte zumindest diese eine Antwort erhalten. Fortan hielt sie sich ruhig und versuchte, so gut wie möglich herauszufinden, wohin sie gebracht wurde. Das war nicht einfach, denn sie war nicht oft außerhalb der Stadtmauern gewesen. Nur etwa ein halb Dutzend Mal vielleicht, zusammen mit Maurus, wenn er die Holzschläger aufgesucht hatte oder die Ziegelbrenner und Glasbläser vor den Mauern. Einmal hatte er sie und die Kinder auch mitgenommen, um ihnen den Wasserkanal zu zeigen, der über das großartige Aquädukt in die Stadt führte. Aber es waren immer nur kurze Ausflüge gewesen. Immerhin schienen sie nun die Felder verlassen zu haben. Die Gangart der beiden Träger wurde langsamer, der Korb schwankte stärker, der Weg war uneben geworden. Außerdem raschelte es mehr und mehr, belaubte Zweige streiften das Flechtwerk, und es wurde schattiger um sie herum. Tiefer und tiefer wurde sie in den Wald hineingetragen, und jede Hoffnung, alleine zurückzufinden, verließ Rufina. In stiller Verzweiflung legte sie den Kopf auf ihre gefesselten Hände, und ihre Gedanken wanderten zu ihrem Mann.
»Warum tut man uns das an, Maurus? Was ist in deiner Vergangenheit passiert? Wessen unversöhnlichen Hass hast du auf dich gezogen? Ach, Maurus, du wanderst bei den Schatten. Warum kannst du mir keine Antwort mehr geben?«
Es wurde kühler und dunkler, und endlich wurde der Korb abgesetzt. Jemand nestelte an den Lederriemen, die den Deckel befestigt hatten, und nahm ihn ab. Rufina hob ihr tränenverschmiertes Gesicht und blinzelte. Eine halbdunkle Hütte, zwei bärtige Gesichter, die sie - nicht unfreundlich - betrachteten.
»Komm raus!«, forderte sie der eine auf, und sie erkannte die Stimme wieder, die schon einmal zuvor mit ihr gesprochen hatte. Sie hätte ihm gerne Folge geleistet, doch ihre Glieder waren verkrampft, es war ihr nicht möglich, sich zu rühren. Der Mann machte eine Bemerkung in seiner Sprache, und der andere gab einen zustimmenden Laut von sich. Ein scharfer Dolch befand sich plötzlich in seiner Hand und näherte sich ihr. Verschreckt zuckte sie zurück, aber der Germane schüttelte den Kopf und deutete auf ihren Mund.
»Nicht schreien. Wegmachen!«
Rufina zitterte zwar noch, deutete aber die Geste und die Worte so, dass er sie wohl von dem Knebel befreien wollte. Es wurde dann auch das Stück Stoff hinten an ihrem Hals durchgeschnitten. Sie war sich völlig darüber im Klaren, es würde ihr niemand, selbst wenn sie mit ihrem ausgetrockneten Mund hätte schreien können, zu Hilfe eilen. Also schluckte sie nur dankbar und holte tief Luft. Der bärtige Riese griff dann in den Korb und hob sie mit einem Schwung hinaus.
»Eine Kleine! So leicht!«
Er wollte sie auf die Beine stellen, aber ihr knickten die Knie ein, und sie landete auf dem Boden zu seinen Füßen. Wieder hob er sie auf und setzte sie vorsichtig auf eine Bank an der Wand. Dort entfernte er auch die anderen Fesseln an den Gelenken.
»Wasser!«, stieß Rufina heiser hervor.
Er nickte und füllte einen Becher aus einem Krug. Es war kein Wasser, sondern ein süßlich schmeckendes Getränk,
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