Rheines Gold
ist es vorbei. Es scheint, derjenige, der uns wehrlos gemacht hat, wusste sehr genau, was er tat.«
»Wer, Rufina?«
»Wenn ich nur eine Idee hätte! Sag, hat sich dein Gemahl irgendwie mit den Einheimischen angelegt? Hast du etwas dieser Art mitbekommen?«
»Claudus spricht mit mir nicht über seine Geschäfte. Er will nicht, dass ich mir Gedanken darüber mache.«
»Ah ja. Nun komm, essen wir, was man uns gebracht hat. Es schmeckt so schlecht nicht, und diesen Met kann man auch trinken.«
»Iss du, ich kann nicht, Rufina.«
»Du musst. Es hilft wenig, wenn du vor Schwäche umfällst.«
Es gelang Rufina, sie zu überreden, wenigstens einige Bissen zu sich zu nehmen. Sabina pickte wie ein Vögelchen an ihren Brotkrumen und würzte das trockene Gebäck mit gelegentlichen Schluchzern. Rufina hingegen zwang sich, so viel zu essen, wie ihr möglich war. Vage war ihr der Gedanke an eine mögliche Flucht gekommen. Wenn nicht sie selbst die Hauptperson war, die man entführen wollte, dann würde die Bewachung vielleicht nicht so streng sein. Es war schon ein gutes Zeichen, dass sie sich in der Hütte frei bewegen konnten. Sie sah sich intensiv um, doch ein Fluchtweg tat sich auf den ersten Blick nicht auf. Die Hütte war sehr einfach, ein Raum mit gestampftem Lehmboden, die Wände aus lehmverschmiertem Flechtwerk, darin aber nur ein kleines Fenster mit einem hölzernen Laden davor, eine kalte Feuerstelle und, in einer Ecke abgetrennt, ein primitiver Abtritt. Noch fiel das Abendlicht durch die Fensterluke, aber bald würde es dunkel werden. Rufina versuchte, im Dämmerlicht etwas von ihrer Umgebung zu erkennen. Es schien sich um eine abgelegene Hütte am Rande einer kleinen Ansiedlung zu handeln. Sie sah die Ecke eines weiteren, strohgedeckten Hauses und hörte Stimmengemurmel. Viele Menschen mochten indes nicht hier leben, aber selbst, wenn es ihr gelang, sich durch das Fensterchen zu zwängen, würde sie anschließend nicht davonlaufen können, ohne von einem der vier Männer bemerkt zu werden. Resigniert wandte sie sich an Sabina Gallina, die ihre Bewegungen mit kugelrunden Augen verfolgte.
»Leg dich hin, Sabina, und versuch zu schlafen. Wir können im Augenblick ohnehin nichts tun, und ich vermute, uns steht morgen eine weitere Wanderung bevor.«
»Aber das können sie doch nicht verlangen. Ich kann in diesen Schuhen nicht laufen. Und in den Korb bekommen sie mich nicht mehr.«
»Ich fürchte, sie bekommen uns sehr leicht in die Körbe«, meinte Rufina mit einem Schulterzucken. »Es sind sehr kräftige Männer, diese Germanen!«
»Ich will fort von hier. Es ist so hässlich und schmutzig!«
Sabina war aufgesprungen und hämmerte an die Tür. Rufina schüttelte nur den Kopf und zog sie zu dem Deckenlager.
»Lass es, es ist nutzlos. Du schrammst dir nur die Hände auf. Wenn du nicht schlafen kannst, dann wollen wir uns gemeinsam überlegen, wer hinter dieser Sache stehen könnte.«
»Aber ich weiß es doch nicht!«, schluchzte sie.
Rufina verschränkte die Finger ineinander und drückte zu, bis die Knöchel weiß wurden. Sabina zerrte an ihren Nerven.
»Wer hatte alles Kenntnis von deinem heutigen Besuch in der Therme?«, fragte sie dann.
»Alle!«
»Alle. Wer sind alle? Dein Mann, deine Dienerinnen, der Gärtner, der Kutscher, der Fischhändler...«
»Der Fischhändler? Wieso der Fischhändler? Welcher Fischhändler?«
»Also doch nicht alle.«
»Doch, Claudus wusste es, ich sage ihm immer alles, was ich vorhabe. Und meine Dienerinnen natürlich auch.«
»Hast du Germaninnen unter deinen Dienerinnen?«
»Nein. Sie sprechen unsere Sprache so schlecht. Ich habe zwei Griechinnen für die Gewänder und die Frisuren. Und zwei Freigelassene für all die anderen Handreichungen.«
»Hat Claudus germanische Diener?«
»Der Kutscher und ein paar Leute in den Ställen.«
»Köche, Kammerdiener, Haushofmeister, Putzfrauen, Näherinnen...?«
»Ich kenn’ doch nicht alle. Warum fragst du mich so etwas?«
»Weil ich herausfinden möchte, wer dich entführt hat.«
»Das ist doch dumm. Du bist genauso entführt worden.«
Rufina unterdrückte ein Seufzen, erwiderte aber nichts darauf. Es war wirklich einer Vielzahl von Leuten bekannt, wann Sabina in die Therme ging. Demnach ein Leichtes, diejenigen zu informieren, die ihrer habhaft werden wollten. Dieser Weg führte also im Augenblick nicht weiter. Sie versuchte es also auf eine andere Weise.
»Diese blonde, große Germanin, die Oda gerufen wird, kennst du
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