Rheingau-Roulette
Pfarrer nicht zugetraut.“
„Wussten Sie, dass es über tausend Möglichkeiten gibt, eine Bierflasche zu öffnen? Dreihundert davon kann ich. Prost!“ Der Pfarrer hob ironisch lächelnd die Flasche. „Ich gebe zu, manchmal bin ich ein kleiner Angeber. Aber niemand ist unfehlbar.“ Thessmann prostete den Männern am Tisch fröhlich zu. „Auf eine spannende WM.“ Er drehte sich zu Alexandra um. „Und Sie, Frau Rabe? Interessieren Sie sich auch für Fußball?“
Alexandra schüttelte den Kopf. „Nein. Nicht wirklich. Ich kann mich an das Spielprinzip von Fußball erinnern, aber ansonsten bin ich eine Niete, was die Spielregeln angeht. Außerdem finde ich das Verhalten der meisten Spieler eklig. Es macht mir keinen Spaß, auf den Boden spuckenden und schreienden Typen auf dem Platz zuzusehen.“
„Und nebenbei sind Fußballer immer so brüllend intelligent, wenn sie sprechen müssen.“ Caro lästerte aus dem Flur zu ihnen herüber.
„Männer unter sich unterhalten sich, glaube ich, nur mit Grunzlauten. Erweiterte Kommunikation ist dann mit Mimik und Gestik.“
Alexandra nickte lächelnd. „Und das Erstaunliche daran ist, sie verstehen sich tatsächlich! Oder tun jedenfalls so.“
„Hm. Mmmmmmmpf. Arghhhh. Ummmmmmpf. Mehr brauchte man nicht auf der Jagd. Hieß übersetzt: Schade. Ich habe den Hirsch verfehlt und mich dabei auch noch am Ast gestoßen.“ Caro und Alexandra kicherten.
Arno zog dramatisch seine Stirn in Falten. „Frauen. Keine Ahnung von den wirklich wichtigen Dingen im Leben.“ Er grinste seine Frau spitzbübisch an.
„Schatz, habe ich dir schon gesagt, dass wir spätestens im Mai einen großen Fernseher kaufen werden? Einen sehr großen! Und zwar nicht um Rosamunde Pilcher zu sehen!“
„So, so.“ Caro zuckte mit den Schultern. „Mein Mann verdient zu viel Geld scheint mir. Aber auf einem großen Fernseher kommen George Clooney oder Brad Pitt auch ganz gut rüber. Ich lad mir dann gelegentlich die Frauenfraktion ein und wir machen einen titanischen Abend.“
„Was ist denn ein titanischer Abend?“ fragte Thessmann belustigt.
Caro lächelte vergnügt. „Die Mädels gucken sich einen Schmachtfilm an und die Männer ersäufen sich derweil.“
In den späten Abendstunden ging Alexandra, beschwingt von zwei Gläsern Wein zur Grillwurst, nach Hause. Sie musste immer noch lachen, wenn sie an Thessmann dachte. Er hatte ihr nach seinem dritten Bier und mehreren Schnäpsen leutselig das ‚Du’ angeboten. Harald hieß er. Und war den ganzen Abend nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Caro hatte das grinsend bemerkt und zog ihre Cousine damit auf. „Ich glaube, er sucht eine Frau! Wie wär‘s? Frau Pfarrer? Dann kannst du natürlich nicht mehr in so kurzen Röcken auf Partys gehen und Alkohol trinken ...“ Alexandra boxte sie leicht in die Seite und verdrehte die Augen. „Sei still. Bring ihn nicht noch auf Ideen!“
Harald Thessmann war so offensichtlich an ihr interessiert, dass sie sich schon fast unbehaglich fühlte, als er beim abendlichen Grillen wie selbstverständlich an ihrer Seite Platz nahm und sie mit Essen und Trinken versorgte. Als er ihr die dritte Wurst auf den Teller legte, guckte ihn Alexandra etwas spöttisch an. „Ich bin satt, danke.“
Thessmann wurde rot. Bedingt durch den Alkoholgenuss machte er einige ungelenke Flirtversuche, die aber in verlegenen sprachlosen Momenten endeten. Erst als Arno seine Brüder und deren Familien verabschiedete, wollte auch Thessmann gehen. Nur unter Protest konnte Alexandra ihn davon überzeugen, dass sie im Stande war, allein nach Hause zu gehen und Caro jetzt noch beim Aufräumen helfen musste. Ihr war die Vorstellung, mit ihm allein die Straße hinunter zu laufen, auch wenn es nur drei Häuser weiter war, und sich dann an der Gartentür von ihm zu verabschieden, zu intim. Möglicherweise würde er einen Abschiedskuss erwarten, oder noch schlimmer, erhoffen. Das war nicht das, was sie sich als Abschluss dieses Abends vorstellte. Nein, einen Mann brauchte sie momentan so sehr, wie eine Magen-Darm-Grippe. Mochte er noch so nett sein, was der Pfarrer zweifellos war, oder noch so gut aussehen – was auf Thessmann ebenfalls zutraf. Nein, momentan wollte sie mit dem anderen Geschlecht nur auf freundschaftlicher Basis mit genügend Distanz zu tun haben.
Als sie ihr Haus betrat, fühlte sie sich wie in eine andere Zeit versetzt. Im Wohnzimmer tickte eine alte Standuhr und Oma Liesels Möbelgeschmack war leider nicht mit
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