Rheingau-Roulette
beiden Cousinen sprachlos an.
Einen Vormittag räumten Caro und Alexandra das Durchgangszimmer auf. 32 Säcke mit alten Kleidungsstücken waren ihnen auf die Füße gefallen, als sie die ersten Kisten von der Tür weggeräumt hatten. Die Kleidungsstücke waren alle ordentlich zusammengelegt, und bevor sie in die Tüten verpackt worden waren, waren sie gewaschen worden. Es waren vorwiegend Damenkleider, Kostüme und Blusen. Weder Alexandra noch Caro konnten sich vorstellen, woher die Sachen stammen könnten. Die Kleidung war altmodisch, aber gut verarbeitet. Und gewiss gehörten sie nicht Oma Liesel, die klein und schmal und sicher nie eine größere Konfektionsgröße als achtunddreißig getragen hatte. Die Kleidungsstücke im Sack waren alle in sechsundvierzig-achtundvierzig. Immer wieder fanden sie Kartons, die bisher noch niemand geöffnet hatte und immer wieder waren sie erstaunt und irritiert über den Inhalt der Pappkisten. Sorgfältig verschlossen mit Klebeband und genauso sorgsam zu Türmen aufgestapelt. Alle zweiundfünfzig Kisten waren etwa gleich schwer. Nirgends hat es einen Hinweis gegeben, wer Oma Liesel beim Aufbauen dieser Kartontürme geholfen haben mochte.
„Was um alles in der Welt wollte Oma Liesel mit so viel Wein? Das hier sind alles Pfälzer Weine.“
Alexandra beugte sich über eine gerade geöffnete Kiste.
„Manche machen sogar einen ganz guten Eindruck“, sagte sie und drehte sich zu Caro um, die grinsend mit zwei Gläsern in der Hand in der Tür des Zimmers stand.
„Das, mein Schatz, werden wir jetzt ausprobieren!“ Caro nahm eine Flasche aus dem Karton: „Roxheimer Höllenpfad. Riesling Spätlese, Zwölf Komma fünf Prozent. Hört sich gut an. Ich hole einen Korkenzieher.“
Caro hüpfte übermütig die Treppe herunter und kurze Zeit später hörte Alexandra sie lautstark in der Küche kramen.
„Alex?“
„Ja?“
„Wo hat Liesel den Korkenzieher?“
„Keine Ahnung.“
„Wie hast du den Wein im Kühlschrank aufgekriegt?“, fragte Caro, die schon wieder oben stand. Sie drehte ein kleines Kellnermesser in den Verschluss.
„Der Wein hatte Schraubverschluss. Wo hast du denn plötzlich ein Kellnermesser her?“
„Das, meine Süße, unterscheidet Mütter von anderen Frauen. Wir haben immer Feuchttücher, Taschentücher und Süßigkeiten in der Handtasche. Manchmal sogar Ersatzunterhosen in verschiedenen Größen. Und die Intelligenteren unter uns tragen noch ein Taschenmesser mit sich herum.“
Sie drehte das kleine Messerchen in der Hand, so dass Alexandra es sehen konnte und lächelte.
„Ich habe die Luxusversion mit Kellnermesser bekommen. Arno kennt seine Frau!“
Sie zupfte gekonnt den Korken aus der Flasche und hielt ihn sich unter die Nase.
„Riecht gut. Könnte nur sein, dass der Wein zu warm ist.“
Sie goss die beiden Gläser halbvoll, von denen sie eines Alexandra gab.
„Prost. Auf Oma Liesel. Vielleicht dachte sie, sie häuft ein alkoholisches Vermögen an.“
Alexandra trank einen Schluck und sagte: „Hm, nicht schlecht. Gut gekühlt kann man den sogar trinken.“
Die beiden Cousinen saßen nebeneinander auf dem Zimmerboden, der durch die Aufräumaktion wieder sichtbar geworden war, und sahen nachdenklich auf die zweiundfünfzig Kartons, in denen jeweils vier Kisten á zwölf Flaschen Wein verpackt waren.
„Das versaufe ich nicht so schnell. Da muss ich mir ja noch einen Weinkeller zulegen.“
„Und jemanden mit Fachverstand fragen. Ich hab ein paar vermutlich eklig süße Spätlesen gesehen. Ich fürchte, das ist nicht so dein Geschmack.“
„Die kriegt der Pfarrer!“ Alexandra lächelte süffisant. „Den Wein kann er seinen alten Weibchen, die er hier mit Geburtstagswünschen zum achtzigsten und aufwärts beglücken muss, schenken. Die mögen es gern süß.“
„Na, hast du doch Interesse an dem Job als Pfarrersfrau? Alexandra Thessmann. Hört sich ganz hübsch an.“ Caro wich einem Boxhieb auf ihren Arm geschmeidig aus.
„Blöde Kuh. Soviel kann ich gar nicht trinken, um mir das vorzustellen.“
„Vielleicht hat er auch Ahnung von Wein. Willst du die Kisten hier erst mal stehen lassen?“
„Ja, na klar. Die Säcke werde ich in Altkleidercontainer entsorgen. Das mache ich noch heute Nachmittag. Was meinst du, sollten wir mal vorsichtig einen Blick in das Hinterzimmer werfen?“
„Erst noch einen Schluck und dann los.“ Caro goss die beiden Gläser noch einmal halbvoll. Stöhnend standen sie auf, um sich durch die Kisten
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