Rheingau-Roulette
dich deine Kinder nicht schlafen lassen?“
„Das Volk ist noch zu Hause. In einer halben Stunde kommen Arnos Eltern und nehmen die drei Quälgeister mit in den Zoo. Und Arno geht mit seinem Kumpel Dieter Rad fahren.“ Caro zog die Haustür hinter sich zu. „Dieter hat Liebeskummer. Sein Freund hat ihn verlassen“
„Oh.“ Alexandra gähnte erneut. „Wie hieß er noch? Antoine oder so?“
„Hm. Antoine ist scheinbar mit einem Kollegen durchgebrannt.“
„Willkommen im Club, Dieter.“ Alexandra machte eine einladende Handbewegung. „Arme Sau. War das nicht eine ganz große Liebe?“
„Die große Liebe, ja. Dachten wir jedenfalls alle. Aber du weißt ja selbst, wie es ist.“
„Danke der Nachfrage. Erinnere mich nicht daran. Was hast du in deinem Körbchen, mein kleines Häschen?“
„Eier natürlich, mein kleines Küken. Was hat man sonst zu Ostern im Körbchen?“ Caro lächelte. „Und ich habe sogar Kaffee mitgebracht!“
„Oh Caro. Ich liebe dich. Kaffee, den ich nicht mit Liesels altem Boiler oder diesem verflixten Herd kochen muss.“
Alexandra holte Geschirr aus dem alten Küchenbuffet und deckte den Esstisch, der im Wohnzimmer stand. Caro riss die Terrassentür auf.
„Puh. Bist du das, oder liegt Oma hier irgendwo hinter dem Sofa?“
„Ne, ne. Weder ich, noch Oma. Es sind die Ausdünstungen der vergangenen fünfzig Jahre dieses Sofas, der Zeitungen, der Schränke und der Klamottensäcke, die hier im Haus überall herumliegen.“
Beim Frühstück machten sie einen Plan, wie sie vorgehen wollten. Caro hatte eine Rolle extra starker grauer Müllsäcke dabei, die sie für die Sachen benutzen wollten, die in jedem Fall entsorgt werden mussten. Alexandra hatte besonders robuste Gummihandschuhe besorgt und hatte bei ihrem Auto, einem Ford Kombi, die Ladefläche umgebaut, so dass sie Platz für die Müllsäcke hatte. Am Dienstag wollte sie nach Ludwigsfelde auf die Mülldeponie fahren und den ersten Teil des geräumten Mülls entsorgen. Soweit war die Planung. Als Alexandra nach einer schnellen kalten Dusche für die Räumaktion einsatzbereit war, saß Caro völlig entsetzt vor dem Schlafzimmer, indem sich Alexandra notdürftig eingerichtet hat.
„Warum hast du mir nicht gesagt, wie es hier wirklich ist? Hier kann man doch nicht wohnen!“
„Hast du dir schon alles angesehen, oder warst du nur im Schlafzimmer?“
„Ich habe alles gesehen, was ich betreten konnte. Ich weiß aber, dass neben dem Schlafzimmer noch ein Zimmer ist. Da kommt man nur über das Zimmer rein, was bis zur Tür vollgestellt ist.“
„Genau. Das Durchgangszimmer. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als an der Tür anzufangen. Wollen wir wirklich in alle Säcke und Kisten reinschauen?“
Alexandra kratzte sich am Kopf. „Dann werden wir nie fertig.“
Caro seufzte. „Ich weiß. Aber ich hoffe ja immer noch, etwas von Mami zu finden.“
Traurig schaute sie auf die Tür, die mit Kartons zugestellt war. „Wenigstens noch ein paar Bilder. Oder ihre alten Hüte. Irgendetwas, was ich meinen Töchtern zeigen kann, damit sie wissen, wie ihre Großeltern aussahen. Am schönsten wäre das Hochzeitsbild. Liesel hatte eins, das weiß ich genau.“
„Hast du mal ihre alten Freunde gefragt? Vielleicht haben die ja noch Bilder von deinen Eltern.“
„Klar hab ich das. Aber irgendwie ist das untergegangen, keiner hat uns welche gebracht. Fritz’ Mutter hat behauptet, sie hätte noch Fotos von einem Ausflug mit Liesel, bei dem Ilse und Ebi dabei waren. Aber die Gute ist so durcheinander, da weiß man nicht so genau, ob das stimmt.“
„Komm fass mal an. Wir machen jetzt einfach die erste Kiste auf. Mal sehen, was uns entgegen kommt.“
Alexandra versuchte, die oberste Kiste aus dem Chaos auf den Boden zu heben. Fast wäre die Kiste auf sie drauf gefallen, so schwer war sie. Alexandra keuchte.
„Hilf mir, Caro. Ich kann das Ding nicht mehr halten!“
Mit vereinten Kräften schafften sie es, die Kiste auf dem Boden abzustellen, ohne sie fallen zu lassen oder selbst hinzufallen.
„Meine Güte.“ Caro stöhnte. „Wie um alles in der Welt hat Liesel es geschafft, diese Kiste da oben hinzustellen? Das hat die im Leben nicht allein da abgestellt.“
„Keine Ahnung. Vielleicht hatte sie eine Hilfe.“
Neugierig betrachteten Caro und Alexandra die Kiste. „Los mach auf“, Caro stupste Alexandra an, die mit einem Teppichmesser die verklebte Kiste aufschnitt. Als die Kiste geöffnet war, sahen sich die
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