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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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den Vorstellungen von Alexandra vereinbar. Sie hatte sich nicht getraut, die Terrassentür aufzulassen und so war die Luft im Zimmer stickig, als sie hereinkam. Sie riss die schmale Tür auf und atmete tief die abgekühlte feuchte Abendluft ein. Sie konnte so viel lüften wie sie wollte, der abgestandene Geruch alter Zeitungen, Möbel und Klamotten ließ sich nicht aus den Räumen vertreiben. Jedenfalls nicht, solange die alten Sachen noch herum standen. Seufzend nahm sie auf dem alten Sofa Platz und sah zum Fenster. Neben dem Sofa stand ein Schrank, der im Gegensatz zu dem anderen Mobiliar jüngeren Datums zu sein schien. Alexandra öffnete eine der Türen und nahm ein Weinglas daraus. Kristallglas. Oma Liesel liebte schöne Gläser und so waren die Gläser, die sie über Jahre und Jahrzehnte gesammelt hatte, von guter Qualität. Alexandra hielt das geschliffene Glas hoch gegen das schummrige Licht und drehte es. Es glitzerte und glimmerte, als ob zerstoßene Diamanten in dem Glas verarbeitet worden wären. In der Küche holte sie sich eine Flasche Chardonnay aus dem Kühlschrank und setzte sich wieder ins Wohnzimmer.
    Auf dem kleinen Tischchen vor dem Sofa hatte sie eine Kladde liegen, in der ihre Pläne für eine neue Praxis drin waren. Wirtschaftsplan, ein Plan für die Einrichtungsgegenstände, die sie benötigen würde und die Einkaufsliste für die Therapiemittel. Sie war fast fertig mit der Aufstellung. Über die technische Ausstattung wollte sie noch mit einem Fachmann sprechen, das hatte aber noch ein wenig Zeit. Glücklicherweise hatte sie eine eigene Zulassung als Logopädin in der Praxis mit Oliver gehabt und musste jetzt nur geeignete Räumlichkeiten nachweisen. Therapeutisches Material hatte sie zwar auch in die Praxis eingebracht, aber sie hatten sich geeinigt. Leider musste doch ein Anwalt bemüht werden, um zu dieser Einigung zu kommen. Vermutlich dachte Alexandra, weil Leila Angst hatte, dass sich Oliver aus seinem schlechten Gewissen heraus zu mehr Zugeständnissen bereit erklärt als notwendig. So war es dann auch. Er hat allen Vorschlägen der Anwältin zugestimmt und so war Alexandra mit einer erheblichen Summe aus der Praxis ausgezahlt worden.
    Sie lachte bitter auf. Wenigstens etwas. Wenn sie Leila richtig beurteilt, dann hat Oliver jetzt nichts zu lachen. Wer in dieser Beziehung die Hosen anhatte, war offensichtlich. Letzte Woche hatte Selin, ihre Putzfrau aus der Praxis entnervt bei Alexandra angerufen. Sie berichtete, dass Oliver seit März eine neue Angestellte hatte, die gerade ihr Examen gemacht hatte. Eine sehr hübsche junge Frau, mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Seitdem war Leila ständig in der Praxis um Oliver zu überwachen. Das Kind, ein kleiner Junge namens Lionel war am 14. Januar auf die Welt gekommen. Leila war seit April wieder stundenweise in der Praxis tätig und hatte dort das Kommando übernommen. Selin erzählte, dass Oliver fast nur noch Hausbesuche machte und ansonsten auch jede Gelegenheit zur Flucht nutzte, um Leilas Eifersuchtsattacken auszuweichen. An einem Abend hatte Selin noch den Aufenthaltsraum geputzt, als sie mitbekam, wie Leila Oliver eine lautstarke Szene machte, weil der mit der neuen Angestellten Mittagessen gegangen war. Alexandra hatte schadenfroh am Telefon mit Selin über Leila gelästert und fühlte sich besser, seitdem sie wusste, dass Oliver nicht so glücklich in seiner neuen Lebenssituation zu sein schien. Sie hob das Glas. „Na denn. Prost Oliver, du hast es nicht besser verdient, warum sollte es dir auch besser gehen als mir!“ Sie kicherte, als sie sich vorstellte, wie Oliver mit zornigem Gesicht vor Leila saß. Er bekam immer so rote Ohren, wenn er wütend war. Die Ohren wurden knallrot und so mancher alberne Streit, den sie miteinander hatten, endete in Gelächter, wenn Olivers Ohren anfingen zu leuchten. Sie stand auf und schloss die Terrassentür. Zeit, um ins Bett zu gehen. Morgen war Ostermontag und sie wollte mit Caro eine erste Sichtung der oberen Räume machen, die sie bisher noch nicht betreten konnte.
     
    Es war halb neun, als Alexandra durch die schrille Türklingel geweckt wurde. Verschlafen tapste sie die Treppe hinunter und schaute durch das Oberlicht der Haustür nach draußen. Caro. Frisch und schön wie immer. Sie öffnete die Tür.
    „Komm rein. Ich schlafe noch!“
    „Morgen Küken! Na, siehste. Was für ein Glück, dass ich das Frühstück dabei habe!“
    Alexandra gähnte. „Wieso bist du so früh wach? Haben

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