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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Geschmack von heißem, süßem Blut im Maul; Blut floß aus seinem offenen Rachen, als er verloren und hungrig zwischen den Toren von Leben und Tod dahinstürmte und blindlings dem nachtschwarzen Raben folgte, der im grellen Schein der zuckenden Blitze über ihm durch den Nachthimmel flog. Dann plötzlich schlugen ihm die Zweige einer Eibe, deren verborgenes beständiges Feuer dunkel glühte, gegen den Kopf. Er griff danach, wollte sich festhalten und stürzte mit solcher Wucht in den tiefen Schnee, daß er das Bewußtsein verlor.

    *

    Sigfrid wußte nicht, wie lange er dort gelegen hatte - vermutlich nicht lange, denn er fror nicht -, aber der wolkenlose Himmel wurde im Osten bereits hell, als er nach einem Ast der Eibe griff und sich langsam daran in die Höhe zog. Verblüfft sah er durch die dunklen Nadeln die Umrisse eines Pferdes. Harifax stand friedlich unter den herabhängenden Ästen und kaute an einem trockenen Zweig. In ihrer goldenen Mähne hingen dunkelgrüne Nadeln und rote Beeren. Sigfrid sah die Stute ungläubig an, ging zu ihr hinüber und legte die Hand auf ihren warmen Hals. Harifax hob den stolzen Kopf und drückte ihn zart gegen seine Schulter.
    »Ich hoffe, du weißt, wo du bist«, sagte Sigfrid mit heiserer Stimme. Er wärmte seine kalten Finger am Fell der Stute, ehe er auf ihren Rücken sprang. »Los, Harifax, los, lauf nach Hause!« Die Stute lief langsam, aber zielsicher durch den Schnee. Das Land lag unter einer tiefen weißen Decke. Man sah keinen Weg und keine Anhaltspunkte, aber Sigfrid war sicher, daß Harifax ihn zur Halle zurückbringen werde. Er faßte sich verstohlen an den Hals, denn er glaubte noch immer, den Biß spitzer Zähne zu spüren. Er sah sich als Wolf durch den Wald in Gotland rennen, und wieder überkam ihn der namenlose Kummer und das erdrückende Gefühl der Schuld. »Sigmund... Sinfjotli«, murmelte er leise. Der Strom der Erinnerungen versiegte langsam, aber als er zitternd vor Kälte die Arme an den Leib drückte, spürte er mit einer neuen Gewißheit die tiefen Wurzeln, die ihn unlösbar an Sigmund und Sinfjotli banden, und er war zufrieden.
    Harifax erreichte die Halle, als die Sonne schon am Himmel stand. Ihre weißen Strahlen fielen schräg vom blassen Winterhimmel, und der Schnee glitzerte hell. Plötzlich hörte er jemanden rufen: »He! Sigfrid! Wo bist du?« Er trieb die Stute mit einem leichten Schenkeldruck an. dann warte ich eben noch ein Jahr.« Er klopfte Harifax den Hals. warst schon immer sehr eigenwillig, nicht wahr?«

    *

    An einem sonnigen Tag kurz vor dem Julfest hörte Sigfrid klägliches Wiehern aus den Ställen.
    Harifax stand breitbeinig an ihrem Platz und bemühte sich mit aller Kraft, das Fohlen aus dem dicken Leib zu pressen. Das dunkle Fell war schweißnaß, und um ihr Maul stand Schaum, als sei sie zu lange und zu schnell geritten worden. Sigfrid wußte sofort, daß die Stute es nicht allein schaffen würde. Er rief nach Rodger und legte Harifax beruhigend die Hand auf die zitternde Flanke. Unter dem gespannten Fell waren die Tritte des Fohlens zu spüren. Die Stute zitterte und öffnete sich weit. Sigfrid sah etwas Dunkles herauskommen und dann wieder verschwinden, als die Wehen abebbten. Die anderen Stuten stampften unruhig, als spürten sie, daß es Schwierigkeiten gab. »Ruhig, Harifax, ganz ruhig«, redete Sigfrid auf die Stute ein. »Du mußt pressen, dann schaffst du es schon.« Er ballte die Fäuste und versuchte, seinen Willen als Kraft auf sie zu übertragen. Eine neue Wehe durchzuckte Harifax. Sie hob den Kopf und wieherte schmerzerfüllt.
    »Rodger!« rief Sigfrid verzweifelt, »schnell!« Er wollte die Stute auf keinen Fall allein lassen, aber helfen konnte er ihr auch nicht. Endlich ging die Tür auf, und Rodger humpelte herein. Ohne einen Blick auf Sigfrid zu werfen, eilte er zu Harifax und betastete sie aufmerksam. »Nicht zu fassen«, murmelte er. »Was ist los?« »Das Fohlen ist zu groß für sie. Ich habe das bisher nur erlebt, wenn kleine Ponystuten von großen Hengsten gedeckt wurden. Bleib hier, Sigfrid. Ich hole deinen Vater. Wir müssen es herausschneiden, wenn es nicht bald kommt.« Sigfrid wollte entsetzt abwehren, aber der Stallmeister war bereits wieder an der Tür. Harifax schwankte gequält von einer Seite zur anderen, blähte die Nüstern und atmete rauh und heiser. In immer kürzeren Abständen versuchte sie, das Fohlen herauszupressen. Aber die Öffnung war zu klein. Sigfrid überkam plötzlich ein

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