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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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warmen Leiber der Rinder, Pferde und Schweine eine angenehme Wärme. Als Sigfrid und Hildkar wieder ins Freie traten, schlug ihnen der eiskalte Wind ins Gesicht und drang sogar durch die wollene Tunika. Hildkar schüttelte sich frierend, aber Sigfrid lachte, denn er genoß das Prickeln der plötzlichen Kälte.
    Chilpirichs Halle war für das Julfest mit Stechpalmenzweigen geschmückt. Die roten Beeren leuchteten festlich inmitten der spitzen dunkelgrünen Blätter. Dicke Bienen Wachskerzen brannten auf Tannenzweigen, an denen Efeuranken hingen. Im warmen Kerzenlicht entdeckte Sigfrid Nüsse und dunkelrote Äpfel. Herwodis, Regin und Alprecht saßen bereits mit Perchte und Chilpirich am Kopf der großen Tafel. Der freie Platz zwischen Regin und Alprecht war für ihn bestimmt. Perchte erwartete ihn mit einem weißen, silbergefaßten Trinkhorn. Die glatte Wölbung lag warm in seinen Händen, als er es entgegennahm. Das erhitzte Bier roch nach Butter, Honig und Äpfeln.
    Perchte stellte sich auf die Fußspitzen, und Sigfrid küßte sie auf die Stirn. »Willkommen, Sigfrid, und wassaill« sagte sie lächelnd und hob ihr Horn ebenfalls.
    »Auf dein Wohl!« erwiderte Sigfrid und trank. Das starke, süße Bier wärmte ihn auf. »Und auf ein frohes Julfest, Großmutter.«
    »Danke, Sigfrid. Du bist wirklich schon so groß wie ein richtiger Krieger. Wie ich höre, hast du auch eine Braut, und sie soll sogar sehr hübsch sein.« Sigfrid nickte, und sie fuhr fort: »Ich kann kaum glauben, daß vierzehn Winter vergangen sind, seit du hier in der Halle auf die Welt gekommen bist - ja, es sind auf den Tag genau vierzehn Winter!« Sie blickte lächelnd zu ihm auf. Ihre blauen Augen leuchteten klar und hell wie immer, obwohl zahllose Falten wie ein hauchdünnes Netz auf ihrer Haut zu liegen schienen.
    Wie so oft wußte Sigfrid nicht, was er sagen sollte. Um seine Verwirrung zu verbergen, trank er noch einen Schluck Bier, umarmte Perchte behutsam und staunte wieder über die Zerbrechlichkeit der alten Frau. In diesem Augenblick begann der Gesang am anderen Ende der Halle:
    Eberzahn pflügt die Erde
    Und es wächst die Saat
    Am Julfest feiern wir
    Zum Schein der Flammen 
    Ingwes stolzen starken Eber.
    Vier von Chilpirichs Kriegern trugen auf einer riesigen Holzplatte langsam einen gebratenen Eber durch die Halle. Alle stimmten in den Gesang ein, erhoben sich nacheinander und berührten die langen Stoßzähne mit der Hand.
    Eberzahn pflügt die Erde
    Ingwe segnet die Frucht
    In der kältesten, dunkelsten Nacht Leuchtet sein Gold und schützt sein Volk Im Schein der Flammen feiern wir Ingwes stolzen starken Eber...
    Als die vier Männer vor Sigfrid standen, legte auch er ehrerbietig die Hand auf den Eberzahn. Dabei sah er, daß Haselnüsse als Augen den Kopf zierten und im Maul ein gebratener Apfel steckte. Als die Männer bei Chilpirich angelangt waren, setzten sie die Platte mit den letzten Zeilen des Lieds auf die Tafel. Der alte König hob seinen Dolch und zeichnete das Sonnenrad über den Eber, bevor er begann, ihn zu zerlegen. Die erste Portion hielt er hoch und rief: »Für meinen Sohn Alprecht, der in diesem Jahr seinem Land großen Segen gebracht hat! Erhebt jemand Einspruch?«
    Nur lauter Jubel und fröhliches Lachen ertönten, als er seinem Sohn das erste Fleisch reichte. Der König nahm wieder Platz und fragte wie bei jedem Festmahl, an das sich Sigfrid erinnern konnte, Alprecht lächelnd: »Muß deine Frau immer noch jeden Morgen die Kühe melken?« Alprecht lachte und erwiderte wie üblich: »Ja, der goldene Ring ihres Vaters verrät ihr, wann sie aufstehen muß.«
    Sigfrid wollte die beiden bestürmen, ihm doch endlich die Geschichte zu erzählen, auf die sie mit ihren Bemerkungen anspielten, als Perchte seine Portion dampfendes Eberfleisch vor ihn auf den Tisch stellte. Der Hunger siegte über seine Neugier, und er begann, mit großem Genuß zu essen.
    Nachdem die Trinksprüche auf Ziw, Wotan und Fro Ingwe ausgebracht waren und man der Toten gedacht und ihre Heldentaten gerühmt hatte, erhob sich ein Krieger nach dem anderen und legte seinen Juleid ab. Als die Reihe an Sigfrid war, rief er: »Ich schwöre, meinem Vater und meiner Sippe mit meinen Taten keine Schande zu machen!« Er hob das Horn an die Lippen und leerte es in einem Zug. Alprecht nickte stolz, aber Regin sah ihn finster an, während Herwodis nachdenklich den Kopf senkte.
    Chilpirich zog einen goldenen Reif vom Arm und sagte ernst und feierlich: »Sigfrid

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