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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Dunkelheit zur Sattelkammer. Harifax sollte nicht ohne die Zeichen ihres Wertes die Erde verlassen. Mit ihrem besten Zaumzeug und einem silberbeschlagenen Sattel kehrte er zum Scheiterhaufen zurück. Dann holte er Hafer, damit sie auf ihrer letzten Reise nicht hungern mußte, und entzündete eine Fackel. Sigfrid stand vor dem Scheiterhaufen. Von Harifax sah er nichts mehr. Krampfhaft suchte er nach den richtigen Worten, aber ihm fiel nichts ein. Sigfrid wußte nur, er hatte ihr den Tod gebracht, und daran ließ sich nichts ändern. Plötzlich dachte er an die stürmische Nacht nach dem Julfest, und das Blut schoß ihm in den Kopf. »Für Wotan!« rief er und stieß die Fackel in das Holz, Langsam begannen sich die Flammen auszubreiten. Schmelzendes Eis tropfte zischend durch die Zweige. Sigfrid mußte lange warten, bis das Feuer die dicken Äste entzündet hatte und mit dem Rauch der Geruch von verbranntem Fleisch aufstieg. Plötzlich stellte er fest, daß ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Vor Entsetzen schluckte er krampfhaft, und Tränen traten ihm in die Augen. Ebensogut könnte ich Menschenfleisch essen wollen, dachte er empört. Aber der Duft von heißem Fleisch ließ sich nicht vertreiben... ihm wurde schwindlig... ein blutiger Rachen ... ein Waldweg, graue Blätter an dunklen Bäumen... wölfische Gier... gestillter Hunger... das warme Fell naß und verklebt...
    Sigfrid schüttelte sich. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er versuchte, die Wahnvorstellungen abzuwerfen wie einen lästigen Mantel. Benommen trat er näher an das Feuer. Der Mond ging bereits unter, als das Feuer nur noch schwelte und langsam erlosch. Die Erde war von der Hitze aufgetaut, und er begann, ein Grab für Harifax auszuheben.
    Er schaufelte langsam und ohne Pause. Als das Loch ihm schließlich bis zur Brust reichte und hohe Erdhaufen an den Seiten aufragten, stieß und schob Sigfrid alles, was von dem Scheiterhaufen übriggeblieben war, in die Grube.
    Als sich ein kniehoher Erdhügel über dem Grab der Stute wölbte, war Wotans Gestirn, der Wagen, bereits über den dunklen Horizont gezogen. Sigfrid säuberte die Schaufel mit nassem, verwelktem Gras und brachte sie in den Stall zurück.
    Dort war es warm und dunkel. Er lauschte auf den ruhigen Atem der Pferde. Langsam tastete er sich zu der Stute, der man das Fohlen beigestellt hatte. Er hörte, wie es gierig am Euter saugte und wollte den Verschlag öffnen, aber er brachte es nicht über sich, das Fohlen zu berühren, das bei seiner Geburt Harifax getötet hatte. Sigfrid verließ die Stallungen und ging zur Halle, wo Herwodis eine warme Suppe und einen Becher Wein für ihn brachte. Im schwachen Feuerschein sah er ihre rotgeweinten Augen. Er wußte, wie sehr seine Mutter Harifax geliebt hatte.
    Herwodis legte ihrem Sohn stumm die Arme um die Schulter und ließ ihn dann allein.
    Zu Sigfrids Enttäuschung herrschte auch in diesem Jahr Frieden in Alprechts Land, und es bot sich keine Gelegenheit, in eine Schlacht zu ziehen. Er erwog, in den Norden zu gehen, um in der Truppe eines anderen Drichten zu kämpfen, aber Regin riet ihm entschieden davon ab. Schließlich gab er nach und blieb in Alprechts Gefolge, um zu jagen, Pferde einzureiten und sich im Umgang mit Waffen zu üben.
    »Jetzt alle vier auf einmal!« rief Sigfrid und ließ das Übungsschwert geschickt von einer Seite zur anderen kreisen.
    Adalpracht schüttelte den Kopf und ging in den Schatten der Halle. »Ich bin ein alter Mann, Sigfrid«, sagte er seufzend. »Ich habe heute genug getan, um deinen Schwertarm zu üben.« »Und wie steht es ist mit euch?« fragte Sigfrid die drei anderen, Hildkar, Perchtwin und Theobalt. »Nun kommt schon, ihr könnt doch noch nicht müde sein.«
    Perchtwin schob sich stöhnend die verschwitzten blonden Haare aus der Stirn. Sein Gesicht glühte, und das violette Muttermal auf der Stirn leuchtete nach dem langen Kampf in der Sonne. »Mehr als müde...«, rief er, ging aber wie Hildkar und Theobald wieder in Kampfstellung.
    Diese Runde war noch kürzer. Sigfrid sprang auf seine Gegner zu, schlug ihnen die Waffen aus der Hand und berührte sie spielerisch dort, wo ein richtiges Schwert sie tödlich verwundet hätte - an Hals, Kopf, Brust und Bauch. Theobald griff ihn von hinten an, duckte sich geschickt, als Sigfrid blitzschnell herumfuhr, und versetzte ihm einen Hieb gegen den Oberschenkel. Sigfrid ging in die Hocke und
    berührte leicht Theobalds Rücken; in einer Schlacht hätte er mit

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