Rheingold
diesem Schwerthieb das Rückgrat seines Gegners zerschmettert. Dann drehte er sich und parierte die Angriffe der beiden anderen; er stieß Perchtwin das Schwert in einem gespielten Schlag in den Unterleib und schlug Hildkar mit einem laut hallenden schrägen Schlag den Schild aus der Hand. Im Ernstfall hätte er ihm die Beine abgeschlagen. Hildkar und Perchtwin gingen zu Boden, und ihr Stöhnen war keineswegs gespielt.
»Eines Tages brichst du mir dabei noch die Beine«, beschwerte sich Hildkar.
»Du mußt deinen Schild fester fassen«, erwiderte Sigfrid. »Du wolltest mich wohl... na du weißt schon«, rief Hildkar. »Er hat den Schild nicht schlecht gehalten«, sagte Theobald und hob Hildkars Schild auf. »Aber du hast hier auf die Kante geschlagen.« Er zog die dunklen Augenbrauen zusammen und deutete auf einen Riß im hellen Lindenholz, der vom Rand bis zum Schildbuckel verlief. »Sieh dir das an. Du hast ihn zerbrochen.«
»Na wenn schon«, sagte Sigfrid.
Theobald gab Hildkar den zerbrochenen Schild zurück. Mit dem Holz konnte man nichts mehr anfangen, aber der Metallgriff und der Buckel ließen sich ohne weiteres für einen anderen Schild nutzen. Die fünf gingen zur Rüstkammer, wo die Übungsschwerter, Schilde und Speerspitzen aufbewahrt wurden. Ein Schild hielt selten länger als einen Kampf.
Deshalb sorgten die Drichten immer für einen ausreichenden Vorrat, um im Falle einer Gefahr gewappnet zu sein. Aber als Hildkar die Tür öffnete, sah Sigfrid, daß keine Schilde mehr da waren.
Hilkar stöhnte: »Du meine Güte! Was ist denn hier los?«
»Sie waren alle vom Holzwurm befallen, und wir mußten sie wegwerfen«, erwiderte Adalpracht. »Ich wollte es euch eigentlich sagen, aber ich habe es wieder vergessen. Der Drichten hatte mir schon vor ein paar Tagen aufgetragen, bei Klodwig, dem Schreiner, neue Schilde zu bestellen. Inzwischen müßten sie eigentlich fertig sein.«
Hildkar sah Sigfrid an. »Du hast den Schild zerbrochen, also mußt du die neuen Schilde holen.«
Sigfrid blickte zur Sonne auf. Es war ein langer und langweiliger Weg auf der staubigen Straße hinunter ins Tal bis zu Klodwigs Werkstatt. Er hatte zwar nichts zu tun, aber auch keine Lust, Schilde zu holen. »Hört zu«, sagte er, »ich habe Durst. Wollen wir um die Wette zum Fluß laufen? Wer als Letzter dort ist, muß zu Klodwig gehen.«
»Ohne mich«, erwiderte Hildkar, »ich habe auch Durst, aber ich will jetzt Bier.«
»Ich auch«, rief Theobald, »und wozu sollen wir um die Wette laufen? Wir wissen doch genau, wer gewinnt. Ich schlage vor, wir setzen uns vor die Halle und würfeln, wer gehen muß.« Alle nickten und machten sich auf den
Rückweg zur Halle. Die zierliche Mathilde erwartete sie vor dem Tor mit einem Krug Bier und Bechern.
»Ist das eine Hitze«, sagte sie, »so, wie ihr ausseht, habt ihr schwer gearbeitet.«
Perchtwin leerte seinen Becher in einem Zug und rülpste laut und lange. Dann ließ er ihn von Mathilde sofort nachfüllen. »Das kann man wohl sagen.« Er nahm einen großen Schluck, holte drei Holzwürfel aus seinem Beutel am Gürtel, blies darauf, und sagte: »Das Spiel wäre spannender, wenn wir den Einsatz noch erhöhen. Dein Dolch gefällt mir sehr gut, Theobald.«
Der stämmige Krieger legte die Hand auf den glatten roten Granat, der den Dolchgriff schmückte, und lachte höhnisch. »Du glaubst wohl, ich lasse mich auf so etwas ein, wenn wir mit deinen Würfeln spielen!«
»Und die Regeln?« fragte Hildkar.
»Jeder hat drei Würfe, die geraden Zahlen gelten halb, und man darf noch einmal würfeln. Bei Sechs gewinnt man alles, bei Eins verliert man alles. Wenn einer alles verloren hat, darf er noch einmal würfeln, und bei einer Eins muß er die neuen Schilde holen.«
»Einverstanden.«
Die fünf würfelten eine Weile. Mathilde kicherte immer wieder. Es dauerte jedoch nicht lange, und Sigfrid wurde unruhig. Er stand auf und streckte sich - inzwischen war er größer als alle anderen in Alprechts Gefolge mit Ausnahme von Arnwald, Helmut und
Klodwig. Aber im nächsten Jahr habe ich sie auch überholt, dachte Sigfrid und blickte auf seine Kameraden hinunter.
»Hat jemand Lust auszureiten?« fragte er. »Wir können im Winter noch lange genug würfeln.« »Vielleicht später«, erwiderte Perchtwin. »Pech gehabt, Hildkar, das war ein schlechter Wurf, jetzt bin ich an der Reihe.« Als Sigfrid den Hügel hinunterlief, kam ihm Alprecht entgegen. Die gelbe Tunika des Königs hatte dunkle
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