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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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aus dem Geschlecht des Chilpirich, du bist zu einem Mann herangewachsen. Deshalb frage ich dich, Sohn aus dem Hause der Alemannen, willst du deinen Platz im Gefolge der alemannischen
    Krieger einnehmen als Schild und Helm der Könige Chilpirich und Alprecht?«
    »Ja, das will ich«, erwiderte Sigfrid. Er nahm den Reif entgegen und schob ihn über den rechten Arm bis unter den Ellbogen. Perchte füllte sein Trinkhorn, und Sigfrid bekräftigte das Gelöbnis, indem er mit beiden Königen trank.

    *

    Die Kerzen brannten aus, und die Männer legten sich unter den dicken Decken zum Schlafen. Sigfrid hatte einen Platz in der Nähe eines glühendes Feuers. Er hörte den heulenden Wind, der die Tannen peitschte und gespenstisch über das Dach der Halle jagte. Die Männer um ihn herum schliefen bereits tief und fest, aber er war noch immer hellwach. Er spürte eine knisternde Spannung, die ihn bis ins Innerste erregte.
    Ein lautes Pochen ließ Sigfrid aufspringen. Es klang, als habe jemand gegen das Tor geschlagen. Schnell warf er sich den Umhang über die Schultern und lief durch die Halle, um nachzusehen. Der Wind zerrte an dem großen Torflügel, als er ihn vorsichtig öffnete, und dichte Schneeflocken trieben wie eine weiße Wand auf ihn zu. Wieder hörte er den Schlag, diesmal noch lauter, und Sigfrid wußte, er kam aus den Pferdeställen. Ihm fiel ein, daß Harifax bei Sturm nicht in einem Stall zu halten war. Bestimmt versuchte die Stute
    auszubrechen. Aber was würde geschehen, wenn es ihr gelang und sie im Schneesturm davongaloppierte? Er schloß das Tor der Halle hinter sich und rannte in Richtung der Stallungen. Trotz Dunkelheit und Schneetreiben war ihm der Weg noch immer vertraut. Ein Blitz tauchte plötzlich den langen niedrigen Bau in grelles Licht. Mit dem Donner hörte Sigfrid auch das Krachen von splitterndem Holz. Im gleichen Moment schoß etwas Großes, Dunkles aus dem Stall, warf ihn um, und er flog im hohen Bogen in den tiefen Schnee. Als Sigfrid erschrocken und nach Luft ringend aufstand, spürte er warmes Blut im Mund. Er rannte, ohne zu überlegen, hinter dem Pferd her und schrie immer wieder: »Harifax! Harifax!« Seine Stimme wurde vom Sturm verschluckt, dessen Heulen schaurig anschwoll, bis es zwischen den hohen Tannen wie das Geheul von Hunden oder Wölfen klang. Aber er lief weiter.
    Schon bald mußte Sigfrid erkennen, daß er sich verirrt hatte. Er blieb keuchend stehen und spähte angestrengt durch das dichte Schneetreiben. Ein zweiter Blitz und ein lauter Donnerschlag ließen ihn zusammenzucken. Im nächsten Augenblick umgab ihn wieder die undurchdringliche Schwärze der Nacht. Plötzlich hörte er über den rauschenden Wipfeln der Bäume ein lautes Jagdhorn. Der harte, helle Ton wirkte wie ein gespenstisches und geheimnisvolles Signal aus einer anderen Welt, das in Sigfrids Blut eine unzähmbare tierische Wut weckte. Übermannt von dieser Kraft hob er den Kopf und heulte seine Antwort in den Sturm. Über den Wipfeln sah er funkelnde, rote Wolfsaugen, und die dicken Schneewolken über den Bäumen wurden zu den Gestalten unheimlicher Reiter. Ihre toten Gesichter leuchteten bleich, während sie mit ihren gespenstischen Rössern durch die Nacht jagten. An ihrer Spitze ritt Wotan auf Sleipnir. Die acht Hufe des grauen Geisterpferds peitschten erbarmungslos die Äste der Tannen. Der dunkle weite Umhang des riesigen Reiters flatterte im Wind wie die langen Haare der Walküren, die auf ihren Wölfen hinter ihm ritten. Ihre wilden Schreie brachten Sigfrids Blut zum Sieden, und seine Kampfwut wurde zu blinder Raserei.
    Wotan setzte das Horn an die Lippen und blies noch einmal. Dabei richtete sich sein funkelndes Auge auf Sigfrid. Im Taumel der wilden Freude streckte Sigfrid die Arme aus, als hoffe er, vom Wind erfaßt und in die Höhe getragen zu werden. Jeder Gedanke erstarb, als die dunkle Geisterschar geradewegs auf ihn zuritt. Schwarze Rabenschwingen schlugen um seinen Kopf, das zottige Fell der Wölfe streifte seinen Körper wie spitze Tannennadeln. Erfaßt von der rasenden Wut, rannte er im Rausch der zuckenden Blitze und des grollenden Donners im heulenden Schneesturm durch die Nacht. Eine hohe klare Stimme übertönte den Wind, und ein wilder Ruf der Sehnsucht und beseligenden Glücks drang aus seiner Kehle, während er über den Nachthimmel jagte, und das dumpfe Donnern der Hufe unter ihm im Einklang mit der Raserei der Wilden Jagd in seinem Körper hämmerte.
    Er war ein Wolf und hatte den

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