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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Gold liegen wird...«
    Aber die lähmende Furcht wollte nicht weichen. In dieser Nacht hörte man kein Lachen und kein Würfelspiel. Nur wenige Feuer brannten, und schon bald legte sich die Asche auf die Glut. Alle verschwanden schnell in den Zelten, aber auch danach ließ die Spannung nicht nach. Sigfrid lag wach unter den Decken. Er war nicht müde. Aus der Höhle hoch über dem Wasser am anderen Ufer kam ein gefährlicher Pulsschlag, der die Erde und die Menschen nicht zur Ruhe kommen lassen wollte. Schließlich stand er auf und verließ leise das Zelt.
    Sigfrid hatte keinen Plan und wußte nicht, was er tat, aber es dauerte nicht lange, und er stand vor seinem Schiff neben einem Beiboot und löste das Tau, um abzulegen. Er handelte wie unter einem Zwang. Ein trockenes Husten ließ ihn zusammenschrecken. Regin saß am Ufer und schien auf ihn gewartet zu haben.
    »Du bist also doch gekommen«, murmelte der alte Zwerg, »nur zu, leg ab. Wir fahren über den Fluß, dann kannst du besser sehen, was dich erwartet.« Sigfrid half Regin beim Einsteigen, legte die Ruder griffbereit auf die Bank, schob das Boot tief genug ins Wasser und sprang dann hinein. Die Strömung erfaßte das kleine Gefährt, aber Sigfrid gelang es ohne große Mühe, sie ans andere Ufer zu rudern. So leise wie möglich kletterten sie an Land und gingen schweigend der Drachenspur entlang die Anhöhe hinauf. Aber schon bald begann Regin zu zittern und blieb stehen. »Ich gehe nicht weiter«, keuchte er, »sei vorsichtig und wag dich nicht in seine Nähe. Noch ist die Zeit für dich nicht gekommen, den Kampf zu wagen. Wenn er in seiner Höhle liegt, hast du ohnehin keine Chance, ihn zu töten.«
    Sigfrid nickte und stieg über die verkohlten Felsen weiter nach oben. Je näher er der Höhle kam, desto stärker wurde das Prickeln in seinen Adern. Schließlich hatte er das Gefühl, ein Bienenschwarm falle über ihn her. Trotzdem zog es ihn unwiderstehlich hinauf, bis er nahe genug war, um das geisterhafte Feuer deutlich über dem Gold in der Drachenhöhle zu sehen.
    Das Wissen um die tödliche Gefahr war schwächer als der Wunsch, einen Blick auf das Rheingold zu werfen. Er hatte von glatten Münzen geträumt, von den Armreifen und den goldenen Ketten, Ringen und den geheimnisvollen Schätzen einer längst vergangenen Zeit. Gold hatte ihm noch nie wirklich etwas bedeutet, aber jetzt erfüllte ihn plötzlich der Wunsch, den Schatz zu sehen, ihn anzufassen und sich auf das reine funkelnde Metall zu legen.
    Von dem hellen Glanz geblendet, schloß er die Augen. Als er sie vorsichtig wieder öffnete, glaubte er, das Gold in der Höhle bewege sich. Aber dann sah er einen riesigen Kopf im dunklen Eingang der Höhle, der ihn aus glühenden Rubinen anzublicken schien. Eine schwarze gezackte Zunge schoß aus dem Maul. Die Spitzen waren so wie Speere. Der Drache hob den Kopf wachsam in die Luft. Sigfrid wollte nicht zurückweichen, aber das Leuchten zwischen den roten Augen war zu stark für ihn. Der Glanz schien sich ihm wie ein brennender Pfeil in den Kopf zu bohren, und er mußte den Blick abwenden. Er fiel auf den Boden und preßte die Hände auf die schmerzenden Lider, hinter denen Blitze zuckten.
    Er wußte jetzt, daß Regin recht hatte - in seiner Höhle konnte er Fafnir nicht zum Kampf stellen, aber auch an Gripirs Mahnung mußte er denken. Der Sieger in diesem Kampf konnte sehr wohl auch der Drache sein. Deshalb mußte er zuerst seine Aufgabe erfüllen und das Volk seines Vaters in die neue Heimat bringen. Sigfrid widerstand nicht länger den gleißenden feurigen Wellen, die ihn von der Höhle zu vertreiben suchten. Stolpernd und rutschend lief er den Abhang wieder herunter. In der Dunkelheit hätte er beinahe Regin übersehen.
    »Und?« fragte der Zwerg heiser, »weißt du nun, was du wissen wolltest?«
    »Ja«, erwiderte Sigfrid mit trockenem Mund. Mehr konnte er nicht sagen.

    *

    Als sie das bergige Land der Alemannen erreichten, blickte Sigfrid sehnsüchtig zu den vertrauten Ufern auf beiden Seiten. Sie umrundeten schließlich den Fuß eines schneebedeckten Bergs, und dann sah er endlich Alprechts Anlegeplatz. Er stieß ins Horn, und der tiefe Klang hallte weithin durch die frostige Luft.
    Als Sigfrid vom Schiff auf den Landungsdamm sprang, ritten Alprecht und Herwodis bereits hinunter zum Fluß, um ihn zu begrüßen. Sigfrid vergaß seine Würde und rannte ihnen entgegen. Herwodis saß ab, und er schloß seine Mutter glücklich und so stürmisch in

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