Rheingold
zusammenschrecken. Beunruhigt ging er weiter.
Sigfrid sah das Feuer auf der Lichtung, noch bevor er sie erreicht hatte. Regin kauerte reglos neben den Flammen. Der Zwerg sah aus wie ein alter Baumstamm. Er murmelte etwas vor sich hin, aber Sigfrid konnte die Worte nicht verstehen und schlich lautlos näher. »Dwalan, höre mich! Ich brauche deinen Rat«, rief Regin in rituellem Singsang. Auf dem Feuer war ein kleiner Topf, in dem etwas kochte. Sigfrid sah einen Löffel im Topf, aber der Zwerg rührte nicht darin. Er hatte beide Hände auf den Stein gelegt, in dessen Kuhle das Feuer brannte. Ein dicker Wolfspelz schützte ihn vor der Kälte. Regin blieb eine Weile stumm, als lausche er auf etwas, das Sigfrid nicht hören konnte. Dann richtete er sich auf und legte die Hände auf den Kopf. »Ich werde tun, was du mir sagst, und füge mich dem Spruch der Zwerge. Tollkirsche, Mohnsaft und Ziws Helm für den Wolfssohn. Ich habe die Blüten getrocknet und die Wurzeln ausgegraben.«
Mit den Namen der Kräuter wußte Sigfrid wenig anzufagen. Er hatte nur gehört, daß Mohnsaft aus dem Süden kam, Schmerzen linderte und kostbarer war als Bernstein.
Regin wartete, legte die Hände wieder auf den Stein und beugte sich dichter über das Feuer. Dann fuhr er in seinem Singsang fort: »Die Salbe soll die Brandwunden heilen. Du hast mich vor Fafnirs heißem Blut gewarnt. Der Wolfssohn wird sich mit Sicherheit verbrennen, aber er muß leben, bis...«
Regin hob eine Hand, nahm den dunklen Holzlöffel aus dem Topf und roch daran. Dann rührte er langsam die Flüssigkeit und murmelte dabei wieder so leise vor sich hin, daß Sigfrid ihn nicht verstand, »... bis ich das Drachenherz gegessen habe. Die Weisheit des Drachen öffnet mir die Welt der geheimen Künste, und dann bin ich der Erbe und Wächter des Golds, bin einer der euren, endgültig Zwerg...«
Sigfrid verließ lautlos die Lichtung. Er hätte nie daran gedacht, daß er nach dem Kampf eine Arznei für die Wunden brauchen würde. Aber er war gerührt, daß der alte Regin so früh aufgestanden und in den Wald gelaufen war, um mit der Kunst der Zwerge ein Heilmittel für ihn vorzubereiten. Aber mehr noch freute ihn, daß er Regin vertrauen konnte und die Zwerge
bei dem Kampf gegen Fafnir seine Verbündeten waren.
Außer Hörweite lief Sigfrid so schnell er konnte durch den dunklen Wald zu den Ställen. Leise öffnete er das Tor und tastete sich zu Granis Platz. Der Hengst wieherte, streckte den Kopf über das Gatter und schnaubte in seine Haare. Sigfrid öffnete das Gatter. Grani folgte ihm gehorsam hinaus, ließ sich geduldig satteln und mit den Satteltaschen beladen, die Sigfrid am Abend zuvor mit allem Notwendigen vollgepackt hatte. Dann ritt er zu Regins Höhle zurück. Es dauerte nicht lange, und der Zwerg kam aus dem Wald zurück. Er blieb stehen, stemmte die Fäuste in die Seiten und sah Sigfrid und Grani mißtrauisch an.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich mich auf dieses... dieses Biest setze?« brummte Regin und schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern, daß du angeboten hast, Fafnirs Hort zu tragen«, erwiderte Sigfrid, »und Grani wird nicht damit einverstanden sein, wenn ich ihn den ganzen Weg am Zügel führe. Übrigens, wie sollen wir denn deiner Meinung nach das viele Gold aus der Höhle schaffen? Wie viele Säcke hast du unter deinem Mantel versteckt?«
Regin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wir brauchen keine Säcke. Die Zwerge haben mir erklärt, was ich tun muß... wer den Schatz kennt, weiß, was er zu tun hat. Der Fuchs hat uns das Gold in seinem Gürtelbeutel gebracht. Das kann ich auch. Vertraue mir, Sigfrid, dann kann alles gelingen. Um Säcke und Kisten müssen wir uns wirklich keine Gedanken machen.«
Grani scharrte ungeduldig mit den Hufen, und Sigfrid rief: »Na komm schon, alter Zwerg. Wenn ich dir vertrauen soll, dann mußt du auch mir und meinem Pferd vertrauen. Wenn wir reiten, sind wir sehr viel schneller dort.« Als auch das Regin nicht zu bewegen schien, seine Meinung zu ändern, sagte Sigfrid: »Du bist doch früher auch geritten! Hast du vergessen, daß du ein Mensch gewesen bist?« »Das kann schon sein«, murmelte Regin sichtlich betroffen. »Wenn wir den Drachen töten, dann bist du auch von dem Fluch erlöst! Ich weiß von Gripir, daß die Fäden des Schicksals immer neu gesponnen werden können. Du sollst an meiner Seite in hohem Ansehen stehen und wieder als Mensch unter Menschen leben.«
Regin lachte
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