Rheingold
werde.
Sigfrid streckte die Hand aus und forderte den alten Schmied zum dritten Mal auf, den Juleid abzulegen. »Komm, Regin, denn du gehörst zu meiner Sippe.«
Regin erhob sich und kam langsam zu Sigfrid. Seine schwielige Hand war rauh und so kalt wie Stein. Er umfaßte Sigfrids Arm mit solcher Kraft, daß er einem anderen damit die Knochen gebrochen hätte. Dann legte er die linke Hand auf den Rücken des Ebers. »Bei den Borsten des Ebers schwöre ich... ich schwöre, dir die Treue zu halten, Sigfrid, und ich werde für dein Wohl arbeiten, damit dein Schicksal sich zum Besseren wende.«
Regin ließ Sigfrids Arm los und kehrte zu seinem Platz zurück.
Sigfrid legte die Hand auf den Rücken des Ebers. Er spürte, wie das Tier unruhig wurde und ihn mit dunklen Augen ansah. Alle Blicke waren auf den jungen Drichten gerichtet, denn er hatte seinen Eid noch nicht gesprochen.
»Bei den Borsten des Ebers«, rief Sigfrid mit klarer Stimme, »ich schwöre, daß ich allein gegen Fafnir, den Drachen, kämpfen und entweder er oder ich den Tod finden werde. Fro Ingwe höre meinen Schwur! Wotan sei mein Zeuge!«
Erschrockenes Murmeln erhob sich in der Halle wie der trockene Wind, der am Ende des Sommers durch die Blätter streift. Sigfrid zögerte nicht, sondern zog sein Schwert und schnitt dem Tier die Kehle durch. Das heiße Blut schoß in die Schale, die Odgers Tochter hielt. Sigfrid hielt den Eber mit beiden Händen, bis er sich nicht mehr bewegte und die Augen starr wurden. Erst dann ließ er ihn auf den Boden sinken und tauchte Grams Spitze in das Blut. Alle drängten sich um Sigfrid, als er das Schwert hob, es dreimal um seinen Kopf kreisen ließ und die Segenstropfen in der Halle verteilte. Nach dem Opfer für die Götter wurde der Eber zerteilt, gekocht und gegessen. Dann gab man sich gegenseitig die Geschenke zum Fest. Als Drichten beschenkte Sigfrid alle großzügig. Er gab gerne und freute sich über das Glück, seinem Volk soviel wie möglich schenken zu können. Aber auch die Geschenke vor seinem Platz waren üppig. Nicht nur seine Krieger gaben ihm das Beste ihrer Beute, auch die Sachsen beschenkten ihn.
Für Regin hatte er ein besonderes Geschenk -in einem der Lagerhäuser hatte er ein kleines Faß entdeckt mit den Runen Berkano und Hagalaz als Zeichen für ein besonders kostbares Getränk. Sigfrid hatte einen kleinen Schluck gekostet, um festzustellen, was es war. Das Faß enthielt Met, der mit Honig und Früchten angesetzt und vielleicht so lange gealtert war, wie Sigfrid Winter zählte. So etwas Köstliches hatte Sigfrid noch nie geschmeckt. Er wollte gerade aufstehen und das Faß Regin bringen, als der Zwerg mit dem großen Sack auf der Schulter neben ihn trat. Noch bevor Sigfrid etwas sagen konnte, öffnete Regin den Sack und zog mit Gold und Silber beschlagenes Zaumzeug und Steigbügel und reichte sie dem staunenden Sigfrid. Er griff noch einmal in den Sack und hielt einen kostbar verzierten Sattel in Händen, den er Sigfrid auf die Knie legte. Sigfrid sah mit einem Blick, daß dieser Sattel für jedes Pferd, aber nicht für Grani zu groß war. Regin mußte sich vor der Abfahrt den sturmgrauen Hengst genau angesehen und Maß genommen haben. Er betrachtete die Zügel, bewunderte die fein gehämmerten goldenen Sterne und die kleinen Goldplättchen an den Steigbügeln, die Regin als funkelnden Schmuck kunstvoll auf dem Leder befestigt hatte. Auf den Plättchen waren gehämmerte Adlerköpfe mit gebogenen Schnäbeln zu sehen. Sie hatten Augen aus Granatsteinen, andere waren Raben mit langen spitzen Schnäbeln und grünen Smaragdaugen. Den Sattel zierten Wolfsköpfe auf dünnen silbernen Schuppen mit Zähnen aus Elfenbein und Eberköpfe mit spitzen Fängen. Das Zaumzeug hatte als Schmuck Köpfe mit Beutetieren inmitten kunstvoller Ranken und dazwischen winzige goldene Gesichter von Wesen, die nicht von dieser Welt waren. Sigfrid bestaunte ehrfürchtig Regins Geschenk und konnte den Blick nicht von dem Sattel wenden. So etwas hatte er noch nie gesehen. Der Zwerg stand stumm neben ihm und kaute auf seinem grauen Bart.
»Ziehvater, ich glaube, das ist das Schönste, was du je gemacht hast.« Er stand auf und hob den Sattel hoch, damit alle ihn sehen konnten und rief: »Ich danke dir, Regin.«
»Warum sollst du nicht auch ein wenig Freude in deinem Leben haben«, brummte Regin, »außerdem ... ein Drichten reitet nicht sein Pferd ohne Zaumzeug und Sattel.«
Sigfrid lachte über die unvermeidliche Ermahnung
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