Rheingold
einem Felshang, der im Licht des neuen Mondes hoch aufragte, mit sich riß.
Ein schwacher Feuerschein drang durch eine Spalte im Stein, und das Dröhnen eines Hammers, der auf Metall schlägt, hallte durch den Fels. Ein Körper lag als regloser Schatten vor der dunklen Wand. Er bewegte sich nicht, als die große Gestalt im dunklen Umhang näher kam und sich das Sternenlicht funkelnd auf der Speerspitze brach. Der Gott lächelte grimmig und musterte mit seinem einzigen Auge den Mann, der vor ihm auf der Erde lag. »Also gut, Regin.« Das andere Auge, das in der Tiefe von Mimirs Brunnen lag, hatte sich bereits etwas anderem zugewendet und schaute zu dem Hain, wo Schwanhild den Namen ihres Sohnes Sigbert flüsterte. Es ist eine gute Nacht, um mit dem Schmieden zu beginnen, dachte Wotan. Er trat in den Felsen, bückte sich tief und folgte dem schmalen Gang. Regin und der Zwerg standen beide mit nacktem Oberkörper vor der Esse. Schweiß lief über ihre Gesichter und tropfte von den Haaren auf die Bärte. Wotan sah, daß der junge Mann inzwischen breitere Schultern hatte und sich in Windhalfs niedriger Halle kaum noch bücken mußte, obwohl Regin neben dem Zwerg noch immer groß und schlank wirkte. Der junge Mann hob den Kopf nicht vom Blasebalg, den er langsam trat, bis Windhalf einen halbfertigen Helm aus der Flamme zog und ihn auf den Amboß legte. »Was willst du hier?« fragte der Zwerg den Gott unfreundlich. Regin unterbrach seinen Meister, bevor er seine Frage beendet hatte. »Schick ihn weg!« schrie er, »er macht gemeinsame Sache mit dem Fuchs und wird dich betrügen, wenn du ihn anhörst.« Seine Stimme klang schrill und überschlug sich bei den letzten Worten. In Regins gerötetem Gesicht sah Wotan die Funken des Rheingoldes hinter den aufgerissenen Augen glühen. Aber der Gott wollte diesmal nicht die Flammen entfachen, deshalb zeichnete er mit dem Finger, aber so, daß der Zwerg den Zauber nicht sah, Wunjo , die Rune des Friedens. Regins Zorn legte sich, als die Wärme der Rune seine Gedanken besänftigte .
»Sei ruhig, Junge«, sagte Windhalf zu seinem Lehrling, »Wotan hat die Zwerge immer gut behandelt. Er wird unsere Freundschaft noch lange Zeit brauchen. Also, weshalb kommst du diesmal, Wotan?«
Die Worte lagen in Mimirs Brunnen, so wie Windhalf und Regin sie gesprochen hatten. Dort lag auch Wotans verborgenes Auge. »Ich möchte, daß du ein Schwert schmiedest, das einen Drachen tötet.«
Regins Atem zischte wie rotglühendes Metall, das zum Abkühlen in Wasser getaucht wird, aber er schwieg. Windhalf nickte langsam. »Gut, wir arbeiten zusammen. Was hast du mitgebracht?«
Wotan zog aus seinem dunklen Umhang zuerst einen Beutel mit Metall - Eisen der Sterne, das er auffing, wenn es durch den Himmel fiel. Es waren härtere und weichere Brocken, die durch die Hitze des Falls schwarz verbrannt waren. Der Zwerg würde daraus ein Schwert schmieden, mit dem man Stein schneiden konnte. Dann legte er drei Eschenhölzer auf den Boden, in die Runen geritzt waren, um die Klinge mit der notwendigen Kraft für die Taten zu erfüllen, die sie nach Wotans Willen vollbringen sollte. Auf dem ersten Stück Holz stand Wotans Name, und dreimal die Rune Ansuz ; es war die Rune seiner Winde, die durch die Welten wehen; sie sollte der Seele seiner Sippe Leben einhauchen. Auf dem zweiten Stück stand »Sieg«, für die Siege, die seine Söhne mit dieser Klinge erringen würden, und dreimal die Rune Sowiio für das Streben nach dem Sieg. Auf dem dritten stand »Wälsung«; so sollte der Name von Sigberts Sippe sein, wenn das Schwert geschmiedet war. Auf diesem Holz war die Rune Othala eingeritzt, die Rune des Erbguts; Eihwaz, die Eibe, würde die Seele und die Erinnerungen der Sippe durch Tod und Wiedergeburt zusammenhalten; und Nauthiz , die Rune der Not und der Schmerzen, sollte aus Wotans Kindern die Helden machen, die er sich wünschte. Als Letztes holte Wotan den Stein aus dem Umhang, der das Schwert an die Seele seiner Sippe band. Es war ein Kristall aus seinem Samen gewachsen. Er war sechseckig, glatt und milchig weiß.
Windhalf nahm Wotan den Beutel mit dem Eisen der Sterne aus der Hand. Er griff hinein und fuhr mit den Fingern durch die Metallbrokken, dann hob er den Beutel an die Nase und roch daran. »Unser Feuer ist noch nicht heiß genug, um das zu schmelzen. Laß meinem Jungen noch etwas Zeit. Vielleicht wird er heranreifen, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Aber das dauert länger als ein kurzes
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