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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Menschenleben.«
    »Das Schmieden des Schwertes wird sehr viel länger dauern. Ich zweifle nicht daran, daß er bis zum Schluß zur Stelle sein wird«, murmelte Wotan. »Trotzdem müßt ihr jetzt mit dem Werk beginnen. Darf Loki als Gast in deinen Felsen kommen?«
    »Andere Gäste wären mir lieber«, erwiderte der Zwerg unwillig, »aber mir bleibt wohl keine Wahl. Du mußt nicht zittern, Regin. Spar dir deinen Zorn für das Feuer auf. Ohne das richtige Können sind deine Gefühle nicht mehr wert als rohes Erz. Gut, Wotan, wenn es sein muß, rufe Loki, aber der andere, der Stille, muß auch kommen. Er hat am Anfang den Baumwesen die Kraft des Wassers geschenkt, und jetzt muß er es noch einmal tun.«
    Hörnir stand bereits stumm und sanft wie eine Wolke vor dem Mond hinter Wotan; aber Loki, wie immer im Widerspruch oder scheinbar frei und ungebunden, erschien nicht auf den stummen Ruf seines Blutsbruders.
    Wotan fehlte in der niedrigen Höhle der Platz, um seinen Speer zu heben. Er streckte ihn statt dessen vor und stieß ihn mit der Spitze gegen den Amboß. »Loki! Bei dem Blut, das wir geteilt haben, rufe ich dich! Zuckende Flamme, du bist vor mir geflohen, aber du konntest nicht entfliehen. Ich habe dich zu meinem Bruder gemacht. Jetzt rufe ich dich. Loki! Komm in diese Höhle!«
    Das Feuer in der Esse flammte plötzlich auf, und Loki stand in der Höhle. Er wischte sich die Hände ab, als habe er gerade eine Arbeit beendet. Dann schob er mit einem Finger Wotans Speer beiseite. »Du hättest nicht so laut rufen müssen«, sagte er achselzuckend. »Ich wollte ohnehin gerade kommen. He, Regin, wie ich höre, hat deine Schwester Lingheid einen Mann namens Ebur geheiratet. Er ist ein dickes altes Schwein mit fauligen Zähnen. Nun ja, einer Frau mit einem toten Vater und geflohenen Brüdern bleibt wohl kaum eine bessere Wahl, wenn sie unter die Haube kommen will. Hast du ihr ein Hochzeitsgeschenk gemacht?«
    Windhalf sah seinen Lehrling an, der stumm und reglos neben ihm stand. Er nickte ihm zu und sagte: »Gut so, Regin. Geh wieder zum Feuer und beobachte ihn. Einen besseren Lehrer wirst du nicht finden.«
    Lokis Gestalt leuchtete hell in der Schmiede auf und wurde Feuer. Wotan legte das erste mit Runen gezeichnete Holzstück in die Flammen, und so begannen sie ihr gemeinsames Werk.

    *

    Wotans Auge bekam in jener Zeit, die nun anbrach, viel zu sehen. Die Menschen, die ihn in ihren Schlachten anriefen, kämpften an ihrer Süd grenze gegen die Römer. Aus dem brodelnden Kessel der nördlichen Länder kamen kriegerische Haufen auf der Suche nach Gold, und so mancher Stamm verließ sein Land auf der Flucht vor den kriegslüsternen Nachbarn. Wotan wanderte oft durch Midgard oder schickte seine Walküren, um die Schlachten nach seinem Willen zu entscheiden. Diesmal betrachtete er einen eigentlich nicht sonderlich wichtigen Toten -einen Knecht mit dem Namen Bredi. Ein Edelmann hatte ihn auf der Jagd erschlagen, weil Bredi mehr Wild als er erlegt hatte. Doch dieser Edelmann war Sigbert, den die Wut, die sein Vater ihm vererbt hatte, übermannt hatte. Sigbert versteckte Bredis Leiche in einer Schneewehe, anstatt sich zu seiner Tat zu bekennen und das Wergeld zu bezahlen. Deshalb wurde er von seinen Leuten verurteilt. Er mußte fortan als Ausgestoßener in den Wäldern leben. Er durfte die heiligen Stätten nicht mehr betreten und auch nicht mehr die Halle seines Vaters. Wotan erschien ihm in Wolfsgestalt mit zwei Hasen in seinem blutigen Maul. Sigbert saß allein auf einem umgestürzten Baumstamm auf einer Waldlichtung. Er strich über den Griff seines Schwerts und blickte auf den leeren Beutel, den ihm Schwanhild früher mit Nahrung gefüllt hatte. Der junge Mann war ein wendiger und geübter Krieger und ein guter Jäger. Nachdem er durch die Wälder gezogen und das wenige verzehrt hatte, das seine Mutter ihm zugesteckt hatte, war sein Körper noch drahtiger und muskulöser geworden. Er hatte wie Wotan graue Augen und einen dichten dunkelblonden Bart, der noch nicht lange sein Kinn bedeckte.
    »Willst du mit mir essen?« fragte Wotan wieder in Menschengestalt und verließ mit den Hasen in der Hand das schützende Dickicht. Sigbert sprang erschrocken auf. »Wer bist du?«
    »Ein Verwandter, den deine Mutter Herobart nennt. Wo ich weile, erfährt man Neuigkeiten schnell.«
    »Dann sei willkommen in meiner Halle, Herobart.« Sigbert lachte.
    »Das Dach ist vielleicht nicht ganz dicht, und das Lager etwas härter als

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