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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Gold und den im Feuer verbogenen Eisenstücken seines Schwerts. Tränen liefen ihm über das Gesicht und erstarrten zu zwei eisigen Linien, die seinen blonden Bart durchzogen. Das Feuer in Windhalfs Felsen brannte nur schwach. Regin, der inzwischen so klein und breit wie ein Zwerg war, lief auf der Suche nach geeignetem Holz durch den Wald. Aber er fand weder die Esche noch die Eibe, nach der Windhalf ihn geschickt hatte.

    *

    Wotan vernahm den Kummer seines Enkels, und er wurde für einen Augenblick weich. Aber dann sagte er sich: Das macht sie nur härter und ihre Not größer.
    Wotan hatte, von seinem Speer verwundet, neun Nächte am Weltenbaum gehangen; in seiner nicht endenden Suche nach Weisheit und Macht ließ er nie ab davon, sich selbst härteren und immer härteren Prüfungen zu unterziehen. Nun mußte er das auch diesen Kindern antun. Und wer von ihnen zerbrach, wäre der Aufgabe nicht gewachsen. Aber diesmal konnte er Rerirs Kummer lindern. »Wie auch immer, Rerir wird nicht lange leben«, fuhr Freyja fort. »Er wird an einer Krankheit sterben, noch ehe sein Kind geboren ist. So steht es geschrieben, und daran kannst du nichts ändern.«
    »Dann soll er in seinem Sohn weiterleben. Ich werde deinen Rat beherzigen.«
    Wotan erhob sich von seinem Sitz und schritt zu der mit Schilden gedeckten Halle, die aus den Waffen aller Schlachtfelder, auf denen sein Volk gekämpft hatte, erbaut worden war. Hier in Walhall eilten Walküren zwischen den Speeren hindurch, die als Säulen das Dach stützten. Sie wichen geschickt den brennenden Schwertern an den Wänden aus, die die Halle erleuchteten, und brachten den Helden Bier und Met, die dort aßen und tranken, wenn sie nicht kämpften. Einige dieser Männer waren noch blaß und blutig von ihrem Tod oder den Wunden, die sie sich auf den Kampfstätten von Walhall gegenseitig beibrachten, wo sie sich jeden Tag schlugen. Mit dem Bier und dem Met brachten die Walküren heilenden Zauber, und sie küßten den Helden das Blut von den Gesichtern.
    Nicht wenige dieser starken Jungfrauen waren Wotans Töchter von Frauen aus den vielen Welten; andere gehörten zu den tapferen Töchtern der Wesen von Esche und Ulme. Einige kamen aus dem Geschlecht der Riesen. Die Wölfe, auf denen sie ritten, wichen nicht von ihrer Seite, während die Walküren das Bier ausschenkten; die Wölfe leckten die Wunden der Helden und schnappten manchmal auch nach ihnen. Wotan suchte eine von ihnen, denn er wußte, seine Kinder würden ihre wilde Kraft brauchen und auch die wölfische Wut, die sie von ihm geerbt hatte.
    »Hild«, sagte er, »ich habe Arbeit für dich.«
    Die blonde Riesenjungfrau lächelte ihn an. Die blitzenden Zähne ihres Wolfs wirkten nach ihrem Lächeln wie ein leuchtendes Schattenbild. »Wer soll diesmal sterben?«
    »Du wirst Leben bringen, nicht den Tod.« Wotan hielt einen dunkelroten Apfel in der Hand. Als er ihn Hild entgegenstreckte, schimmerte er im Licht von Walhalls Schwertfeuer. »Bringe ihn meinem Enkelsohn Rerir. Er steht im Land der Sachsen an der Nordsee auf dem Grabhügel meines Sohnes Sigbert. Hüte ihn gut, denn du sollst den Sohn heiraten, der durch die Kraft dieser Frucht geboren wird.«
    Hild schob die blonden Haare zornig aus dem Gesicht. Ihr Wolf knurrte, wie es ihrer Stimmung entsprach, und seine Schlangenzügel zischten gefährlich. »Was habe ich dir Böses getan, daß du mich verheiraten willst und ich keine Walküre mehr sein darf? Strafe mich auf eine andere Art. Diese ist nicht gerecht.«
    »Wann bin ich je gerecht gewesen? Aber du wirst diesen Helden mögen. Ich schwöre, er soll deiner wert sein. Und es wird für dich nicht länger dauern, als zu heiraten und die Schmerzen einer Geburt zu ertragen. Dann kehrst du in allen Ehren nach Walhall zurück, und du allein wirst mir das Trinkhorn reichen und sehr stolz sein auf die Sippe, deren Mutter du bist.«
    »Muß ich nach der Geburt lange auf die Rückkehr warten?«
    »Du wirst dir durch die Geburt Walhall wieder verdienen. Einige der Helden hier haben ähnliche Schmerzen ertragen, wenn ihnen das Schwert den Leib aufschnitt.«
    »Einige haben den Schmerz ertragen, aber nicht viele«, entgegnete Hild nachdenklich. »Also gut, gib mir den Apfel.«
    Aber sie verließ die Halle erst, nachdem sie ihren Umhang aus dunklen Federn über den Kopf gezogen hatte. Als Rabe mit dem Apfel im Schnabel schwang sie sich in die Lüfte. Der Wolf folgte ihr schnell.

    *

    Dunkelrote Früchte hingen an den dünnen Ästen

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