Rheingold
überlassen mußte, den Kopf zurückwarf und wieder und wieder in dem wilden Sturm aufschrie; ihre Stimme ging unter in dem tosenden Orkan, bis sie sich aufschwang zum heiseren Schrei eines Falken, bis die Blitze in der Kammer zuckten und sie in ihrer Lust die Augen öffnete, und den Einäugigen sah, das sturmgepeitschte Gesicht des Gottes, dessen Kraft sie erfüllte mit Adlerschwingen und ihr in einem einzigen gewaltigen Adlerschrei die Sinne schwanden.
*
Schwanhilds Stöhnen schwoll noch einmal zum Adlerschrei an, als der Schmerz sie in einer Explosion blendender Blitze zerriß, und ihr dicker Leib sich spannte.
»Fester!« rief Berchton, die alte Hebamme. Sie blickte über ihre lange Nase auf Schwanhild und drückte ihr die blasse Hand. »Du mußt fester pressen, los!«
Donner grollte. Sie hörte den Regen des ungewöhnlichen Sommergewitters draußen niederprasseln, spürte heißes Wasser und Blut zwischen den Beinen, als sie preßte und noch einmal aufschrie. »Der Kopf ist schon zu sehen. Weiter, Schwanhild!«
Die geschwollenen knotigen Finger der alten Frau drückten auf Schwanhilds Leib, preßten das Wesen heraus, das sie dehnte und zerrriß, bis sie in Todesqualen aufschrie. Ihr Körper war klüger als das schmerzgepeinigte Bewußtsein und spannte sich wieder und wieder an. Sie spürte, wie das Wesen durch sie hindurch glitt, sich aus ihrem Körper herauskämpfte und gegen sie trat.
»Pressen!« rief die Hebamme, und Schwanhild preßte, bis sich jeder Muskel ihres Rückens und ihres geweiteten Bauchs unter der Anstrengung spannte. Der Schweiß verklebte ihre dünnen Haare und rann in dicken Tropfen über ihr Gesicht. »Pressen!«
Ganz plötzlich ließ der Druck nach, und mit einem letzten, schneidenden Schmerz glitt der kleine sich windende Körper aus ihr heraus. Verschwommen und undeutlich sah Schwanhild, wie Berchton die Nabelschnur des Kindes, die in ihren Leib führte, durchbiß und abband. Die arthritischen Finger der alten Frau taten das mit geübter Schnelligkeit. Dann reichte Berchton das Baby einer von Schwanhilds Kammermägden, die mit Tüchern und heißem Wasser neben dem Bett standen. Die Hebamme beugte sich wieder über Schwanhild. Noch eine unvermutete Wehe packte den Leib der jungen Mutter. Sie schrie vor Überraschung und Schmerz laut auf und dachte: Zwillinge?
»Die Nachgeburt«, flüsterte die Hebamme ihr ins Ohr »Preß sie heraus! Preß sie heraus, sonst muß ich sie herausholen...« Schwanhild preßte und drückte, aber die gepeinigten Muskeln ihres Bauchs waren zu schwach.
Berchton seufzte schnaufend. »Nimm dich zusammen, Mädchen. Das tut weh.« Sie schob die schwielige Hand in Schwanhilds gemarterten Körper. Die rauhe Hand riß an dem losen Gewebe in ihr, während Schwanhild schrie, den Kopf von einer Seite zur anderen warf und versuchte, den Qualen auszuweichen. Aber die beiden jungen Frauen hielten sie an den Schultern fest, bis die Hebamme ihre Arbeit beendet hatte. »Geschafft, mein Mädchen. Das war alles.«
Das Baby stieß ein durchdringendes, hohes Geheul aus. Die Falten im Gesicht der alten Frau wurden vor Zufriedenheit noch tiefer. »Klingt nach einem gesunden... Fro Ing sei gelobt, es ist ein Junge! Ein starker Erbe für Dagabert! Jetzt könnt ihr Schwanhild waschen. Laßt den Kleinen zuerst an ihrer Brust trinken, dann gebt ihr einen großen Becher Bier mit drei Tropfen aus dieser Tonflasche.« Schwanhild blickte ängstlich auf die Hebamme, die sie zahnlos anlächelte. »Schon gut, ich grabe das unter einer Erle ein, wie Frowe Hulda es von uns verlangt.«
Berchton tauchte den rechten Zeigefinger in das Blut der Nachgeburt und zeichnete auf die Stirn des Neugeborenen eine Rune, die wie ein eckiges römisches B aussah. »Frowe Berchte, Birken-Mutter und alle Eiben! Segnet dieses Kind, seid sein Schild in der Schlacht, gebt ihm guten Rat im Frieden. Hulda, halte ihn heil. Frowe, bewahre ihn vor Krankheiten. Eiben seines Geschlechts und alle seine Ahnen, schenkt ihm Freude und wacht über ihn. Das sind meine Geburtsgeschenke. Mögen alle seine Nachkommen blühen und gedeihen.«
Die Hebamme legte Schwanhild das Kind in die Arme und wartete schweigend, bis der Kleine die Lippen um die Brustwarze legte und heftig zu saugen begann. Dann nahm sie die Schüssel mit der blutigen Nachgeburt und
ging damit hinaus in das Gewitter. Audrid und Sigrun tauchten die Tücher in warmes Wasser und wuschen vorsichtig das Blut von Schwanhilds Körper. Unter ihren sanften Fingern
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