Rheinmaerchen
»Ach! Konrad! Konrad! bringst du meinen Biber mit?« Aber der Biber konnte den langsamen Schritt des Rosses nicht abwarten und schwamm ihm voraus und lag zu den Füßen der jubelnden Prinzessin, die nicht länger zögern wollte und ihn mit ihrem Strauße berührte, worauf er sogleich als ein schöner junger Fischer zu ihren Füßen lag. »Gnädige Prinzessin!« rief er aus, »ach! hättet ihr mich einen Biber bleiben lassen; ein Biber darf wohl um Euch sein, ein armer, niedriger Fischer ist zu geringen Standes für Eure Würde.« – »Ei, was Würde!« schrie Murmeltier, »Ihr seid mir der Liebste auf der Welt!« und umarmte ihn. Nun kam auch Konrad auf seinem Rosse ans Land und umarmte seine Schwester und fragte: »Ei! wo ist denn der Biber?« – »Hier ist er,« sagte Murmeltier, »hier dieser Fischer, ich habe ihn gleich wieder zum Menschen gemacht.« Konrad ließ sich alles erzählen und erzählte auch, wie er den Biber in der ganzen Welt gesucht und ihn endlich bei Biberich am Rhein gefunden. »Ja,« sagte der Biber, »als Murmeltier fort war, wollte ich auch nicht mehr in jenem Lande bleiben und zog, nachdem ich lange vergebens sie suchend herumgeirrt war, endlich in die Gegend von Mainz und legte mir dort einen Bau an, wo er mich vor drei Tagen gefunden hat.«
Nun begaben sie sich in das Schloß, denn Konrad klagte über Frost und Nässe, weil er über den Rhein geschwommen. Sie brachten ihn auf seine Stube und pflegten ihn, der Fischer Biber blieb bei ihm. Auf einmal in der Nacht pochte etwas an Murmeltiers Stube. »Wer ist draus?« rief sie. »Geschwind, geschwind, liebe Prinzessin!« rief der Biber, »kommt zu Eurem Bruder.« Murmeltier warf schnell einen goldnen Schlafrock um und eilte in Konrads Kammer, aber der war dem Tode schon nah. »Ach!« sagte er, »liebe Schwester! ich habe mich gestern im Rhein erkältet nach dem heftigen Ritt, und muß nun sterben.« Murmeltier weinte sehr, aber Konrad nahm ihre Hand und legte sie in des Fischers Hand und sprach: »Ich gebe euch einander, seid glücklich und regiert das Land!« und somit starb er in ihren Armen. Man begrub ihn zu der Mutter; beide hatte die Freude getötet.
Murmeltier ließ am folgenden Morgen dem Fischer prächtige Kleider anlegen, versammelte das Volk und kündete ihnen ihr Glück und Unglück an. Alles brachte seine Glückwünsche und Beileidsbezeugungen, auch Frau Wirx und Murxa heucheln und bringen ihre Wünsche dar.
Nun war die Trauerzeit verflossen, man machte Anstalt zur Hochzeit, und als der Hochzeitsabend kam, sagte Murmeltier zum Fischer: »Lieber Biber! wir wollen heute Nacht nicht in die Brautkammer gehen, wir wollen jeder in seiner Stube beten.« »Ja«, sagte der Biber, und beide gingen nach ihrer Kammer.
Frau Wirx hatte indes die garstige Murxa angeputzt und verschleiert und legte sie heimlich ins Hochzeitsbett mit der Absicht, das arme Murmeltier nachher mit ihrem Zauberlichte zu töten, und so ihre häßliche Tochter zur Königin zu machen.
Während sie dies aber tat, sah Murmeltier an ihrem Betstuhl knieend ihren Edelsteinstrauß plötzlich welk und blaß werden. Schnell fielen ihr die Worte des Müllers ein, sie lief und holte das Licht, das er ihr gegeben, und ging damit nach der Frau Wirx Kammer, wo sie das ähnliche Licht schon auf dem Leuchter stecken sah. Sie verwechselte nun die beiden Lichter und ging nach ihrem Betstuhl zurück. Da sah sie ihre Blumen wieder frisch und gesund, wofür sie Gott herzlich dankte.
Kaum hatte Frau Wirx die häßliche Murxa in das Brautbett gelegt, als sie nun das Zauberlicht ansteckte und sich zu Bett legte. Auf einmal hörte sie im Schlafe eine Stimme:
Weh! Weh! ich vergeh,
Weh! ich sterbe,
Ich verderbe;
Ganz in Schmerzen
Brenne ich gleich einer Kerzen.
Da wachte Frau Wirx auf. Als sie aber das Zauberlicht noch brennen sah, sagte sie: »Schon gut, schon gut, bald wird es aus mit dem Murmeltier sein.« Dann schlief sie ein, und nach einer Stunde hörte sie wieder:
Weh! Weh! ich vergeh,
Weh! ich sterbe,
Ich verderbe;
Schon am Herzen,
Zehret mir die Zauberkerzen.
Da wachte sie wieder auf, und als sie das Zauberlicht bis auf den letzten Docht herabgebrannt sah, sprang sie auf, warf es an die Erde und trat das Licht aus mit den Worten:
Sterbe, Licht,
Das Herz bricht
Zu dieser Frist,
Wider das du gemacht bist.
Nun war sie versichert, daß Murmeltier tot sei, und schlief ruhig wie eine Ratze schnarchend.
Am Morgen war große Versammlung am Hofe angesagt, das Ehepaar zu begrüßen.
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