Rheinmaerchen
befahlen zugleich, man solle die Judenseelen billiger geben, weil sie erst müßten eingeweiht werden; sodann fügten sie hinzu: »Getreue Bürger der guten Stadt Amsterdam! Wir waren soeben in der Judenstadt und haben ihren Rabbinern befohlen, gegen die Erlaubnis, an dem Rathause vorüberzugehen, die wir ihnen bewilligen wollen, zum allgemeinen Besten und zur Vernichtung der nun bereits um sechs Stunden zu langen Nacht, ihren langen Tag der guten Stadt Amsterdam zum Geschenk zu machen; aber das hartnäckige Volk will nichts zu unserer Stadt Bestem tun, so daß wir uns gezwungen sehen, gewaltsame Mittel anzuwenden und ihnen den langen Tag mit gewaffneter Hand abzunehmen. Wir fordern also eine werte Bürgerschaft auf, eine Partie tapferer Leute zu diesem Zwecke abzusenden, die Judenschule zu erbrechen, den langen Tag bei den Ohren zu erwischen und zu uns auf das Rathaus zu führen.«
Kaum hatten die hochmögenden Generalstaaten dies gesagt, als ein wackerer Schneidermeister, Meckerling genannt, – es war mein Vater, liebe Mitbürger! – hervortrat und die Schneider aufrief, sich diese Gelegenheit, auf ewig berühmt zu werden nicht rauben zu lassen. Gleich versammelten sich viele um ihn, sie setzten sich auf ihre Böcke und galoppierten durch die Straßen und schrieen: »Heraus! Brüder, heraus! Auf! auf! ihr edlen Schneiderlein, auf! Es geht fürs Vaterland und den blauen Montag!« Dazu klapperten sie mit Scheren, und die Böcke meckerten dazwischen, daß es eine Lust war. Aus Türen und Fenstern hüpften sie heraus, und immer größer ward ihre Menge; es war, als wenn es Schneider regnete.
Als sie nun hörten, daß sie die Judengasse stürmen sollten, hielten sie einen Rat miteinander, wie sie zu rechter Courage kommen sollten. Da schlug mein Vater vor, sie sollten sich bessere Seelen kaufen. Nun wurden die feigherzigsten Schneiderseelen zusammengesucht und zu den Seelenverkäufern gebracht. Es waren an die neunhundert. Der Seelenverkäufer legte sie auf eine Waage und wog nun alte Matrosen- und Soldatenseelen dagegen, und sie bekamen nicht mehr als neunzig für neunmal neunundneunzig. Die schönen Seelen verfälschten sie nun im Hinterteil und wußten sie so zu zerren und zu drehen und vorteilhaft einzuteilen, daß sie vollkommen hinreichten, das ganze erste Glied mit Courage unterm linken Knopfloche zu versehen.
Mein Vater, Meister Meckerling, führte nun den Kern der Schneider gegen die Judengasse. Es waren lauter freiwillige Volontärs; sie steckten ihr Wachsstümpchen auf die Ellen und klapperten mit den Scheren, den Juden die Bärte abzuschneiden. Die Juden ihrerseits hatten ihre Gasse verrammelt mit allerlei altem Hausgeräte, altem Zinn und altem Kupfer, und als sie hörten, daß es die Schneider waren, hatten sie ihren großen alten Sündenbock aus dem Kirchhof genommen und den Schneidern hinter die Wagenburg von altem Hausrat spöttisch gegenübergestellt, sich selbst aber alle in die Judenschule gesetzt, wo sie den langen Tag eingesperrt hatten und beteten.
Mutig stürzten die edlen Krieger in die Gefahr, sie durchbrachen den jüdischen Trödelverhack; aber hier empfing sie der grausame Sündenbock, der sie als ein unvernünftiges Vieh, da sie nur einzeln herüberkonnten, niederstieß. Viele Brave verloren durch diese Bestie ihr Leben, und als der Bock endlich über die Barriere hinübersetzte und auf das ganze Corps der Edlen losging, ergriffen die Schneider die Flucht und wurden bis in ihre Herberge verfolgt, wo sie sich wieder setzten und sammelten.
Hier erfand mein Vater eine Kriegslist. Der Bock stand noch immer vor der Türe und bohrte mit seinen Hörnern dran, daß es entsetzlich anzusehen war. Nun ließ mein Vater die Kellertüre öffnen und dann die Haustüre; der Bock, der eben stark drückte, fiel, als die Türe plötzlich aufging, zum Haus hinein und die Treppe in den Keller hinab, welcher gleich hinter ihm verschlossen wurde.
»Nun«, sprach er, »wollen wir die listigen Hebräer wieder mit Tieren bekriegen«; er ließ alle Schweine, die er haben konnte, vor seinen Braven hertreiben. Die Juden, die, ihres Sieges gewiß, schon wieder aus der Schule heraus waren und ihren alten Trödelmarkt unter heftigem Gezänke, wem jedes Stück zugehöre, auseinandersuchten, schwärmten wie die Ameisen auf der Gasse herum; als plötzlich die Schweine, von den Nadelstichen der Schneider gereizt, in die Gasse einbrachen und alles niederrannten. Die Rache der Schneider war vollkommen; die Juden waren
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