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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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Königin klagte: »Wer wird meine Katze füttern und meinen Papagei?« Der Prediger aber, der von der Kanzel gerade durchs Fenster in seine Küche sehen konnte, und dessen Köchin Helene auch in der Kirche war, sah, daß der Entenbraten, der am Spieß steckte, schon vom Feuer ergriffen wurde, und schrie in voller Herzensangst: »Potz Element! d’Ent’ brennt, Helen’, wend’ d’Ent’ um!« Da meinten die Leute, er hätte Latein geredet, und sagten, er solle jetzt nur deutsch reden, wie sie hinauskommen könnten. »Ach ja,« schrie die Köchin Helene, »Herr Pfarrer! wenn ich nicht hinauskann, so kann ich die Ente nicht umwenden, und die Ente muß verbrennen.«
    Endlich hängte sich einer an das Glockenseil, kletterte bis ans Kirchenfenster hinauf, ließ sich mit dem Seil hinaus und machte den Riegel draus auf. Nun drängte sich alles aus der Kirche hinaus, und mit großer Verwunderung las man:
    Den Riegel vor
Das Kirchentor
Schiebt Mauseohr.
    Nun wußte kein Mensch, wer Mausohr sei. Die Leute aus den andern Kirchen kamen auch heraus, und wie verwunderten sich alle, als jeder dem andern erzählte: »Ei, wir waren auch eingesperrt, wir auch«; dann liefen die Leute nach ihren Kindern auf dem Schloßplatz; aber der war leer, und die Puppen am Galgen waren verschwunden; der König suchte die Prinzessin, die war auch nicht da; die Leute liefen nach Haus und suchten nach den Kindern, die waren nirgends zu finden, und immer ward die Angst der Menschen größer, wo die Kinder möchten hingekommen sein. Da fanden sie endlich die Pfeifen der Kinder in der Rheingasse alle an die Erde geworfen, und nun zogen sie dieser Spur mit der größten Furcht nach, und als sie an den Rhein kamen und des Königs Gartenwagen allein am Ufer fanden, und die vielen Hüte und Hauben hin und wieder im Wasser herumschwammen, und in dem Sande die Fußstapfen der Kinder ganz deutlich ins Wasser führten: da brach ein allgemeines Wehklagen und Jammern unter den Müttern und Vätern aus, und man hörte nichts anders, als: »Ach mein blondes Trautchen! mein süßes Annemariechen! mein schwarzes Gretchen! mein braunes Stinchen! ach meine goldne Bärbel! mein Zuckerpüppchen! ach sie ist ertrunken! ach mein fromm Charteschen! meine schöne Borgel! ach mein flinker Hannes! mein runder Tonerl! mein Goldfritzel! mein kluger Franzel! ach mein lustiger Martin! mein Severin! ach mein Maxfritzl! mein weißer Wenzel! mein gutes Karlemännchen! mein dickes Dominikuschen! meine Herzgundel! meine Bettine! mein Atschekinkel! mein Madlenchen! mein blauäugiges blondes süßes Bendickchen! mein Kattel! mein Melinenhühnchen! ach ertrunken! ertrunken! ach das Kind war so fromm! ja es konnte schon so schön beten und stricken! ach! der Junge konnte schon buchstabieren, er konnte schon Messe dienen!« Und so jammerten sie und rangen die Hände und weinten und fischten die herumschwimmenden Mützen ihrer Kinder zusammen und küßten sie und erzählten sich abwechselnd die Tugenden ihrer verlornen Kinder.
    Nachdem sie mehrere Stunden so am Ufer in unsäglichen Leiden vergeblich ihre Schmerzen ausgesprochen hatten, kehrte sich ihr Unwille desto gewaltiger gegen den König, den sie durch seine Treulosigkeit an Radlauf als den Urheber aller ihrer bisherigen Leiden ansahen, und die einbrechende Nacht konnte sie nicht bewegen, nach Hause zu gehen; denn die guten Leute glaubten, sie könnten nie wieder von der Stelle, wo ihre Kinder zugrunde gegangen waren.
    Der König hatte indessen auch alle Winkel nach der schönen Ameley aussuchen lassen, und als er endlich durch seine Boten das Unglück der ganzen Stadt vernommen hatte, hielt er sich ganz still; denn er fürchtete den Unwillen der Bürger, und er hatte auch recht. Endlich schickte er einen alten Geistlichen, die Leute zu trösten und zu ermahnen, daß sie nach Hause gingen; aber er wurde nicht sehr freundlich aufgenommen, denn alle schrieen ihn an: wenn er nicht so lange gepredigt hätte, würden sie eher aus der Kirche gekommen sein und hätten ihre Kinder noch erretten können.
    Endlich zwang der Hunger die armen Leute doch nach Hause zu gehen, denn sie hatten den ganzen Tag noch nichts gegessen; aber wie wurden sie von neuem betrübt, als sie nun in ihre Häuser traten, wo ihnen sonst die Kinder entgegengesprungen waren; als sie in die Stuben traten und die kleinen Stühle und Spielsachen einsam herumlagen; als sie endlich in die Kammer traten, um zu Bette zu gehen, und die lieben Kinder ihnen die Hände nicht

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