Rheinmaerchen
Helden sind nachher alle die vielen Burgen und Türme am Rhein und an der Mosel erbaut worden, denn sie hatten Abscheu gegen das Wasser erhalten.
Nun wollen wir aber sehen, wie weit der König Hatto mit seinem Turme gekommen. Aber der ist bereits fertig und steht mitten auf der Insel; der König und die Königin sitzen in ihrer Kammer und lachen den Rattenkönig aus, der sie auf dem Rochusberg ruhig beobachtet. Dann und wann zeigt die Königin dem Rattenkönig die Staatskatze zum Fenster hinaus und ladet ihn höhnisch zum Besuch. Aber der Rattenkönig rümpft die Nase und bleibt in seiner Haltung.
So stehen die Sachen, als Hatto sagt: »Nun muß unser Turm einen Namen haben; ich will, er soll Mausturm heißen, weil er mich von den Mäusen gerettet.« – »Nein,« sagte die Königin, »der Name würde der Staatskatze, welche die Mäuse haßt, verdrießlich sein, laß das »s« weg und nenne ihn Mauturm, weil die Katze durch ihr Mauen die Mäuse abhält.« Das wollte der König nicht, sie zankten sich, und als er sagte, die Katze sei solcher Ehren gar nicht wert, seit sie durch ihren Sprung ins Hochzeitschiff ein großes Unglück veranlaßt habe, schwieg die Königin und begab sich, da es Nacht war, hinab, setzte sich auf das Schiff und fuhr den Rhein weiter hinab und baute sich ein Schloß bei St. Goar, das sie die Katze nannte und worauf sie ruhig fortlebte.
Als der Rattenkönig durch seine Schildwachen erfuhr, daß die Königin mit der Staatskatze fort sei, ließ er sogleich seine ganze Armee in der Nacht von den Wasserratten nach der Insel übersetzen, und nun rächte er den Spott des Königs Hatto, der umsonst nach seiner Gemahlin und der Staatskatze schrie, bitter. Er stürmte von allen Seiten den Turm, und ehe es noch Abend geworden war, hatte er den König samt allen seinen Leuten aufgefressen. Nun ließ er die Mäuse, die von der Insel waren, drauf zurück und begab sich mit den übrigen wieder nach Trier, wo er sie entließ und seine Wohnung auf dem Grab der alten Königin wieder einnahm. Um der Königin von Mainz aber auf ihrem Schlosse die Spitze zu bieten, ließ er auf der andern Seite, dem Schlosse Katz gegenüber, ein Schloß bauen, dem er den Namen Maus gab, und das er mit Mäusen und einigen von des Königs Mausohr da herumstreifenden Kriegsstudenten besetzte. Beide Schlösser sind noch bis auf den heutigen Tag zu sehen.
Wie das Goldfischlein wieder zum Vorschein kam und was es von dem alten Vater Rhein und den Kindern erzählte.
Als die Mainzer Bürger sich durch Essen und Trinken ein wenig herausgefüttert hatten und mit der Pyramide fertig waren, wurden sie durch die Inschrift derselben wieder gar sehr an den traurigen Verlust ihrer Kinder erinnert und waren wieder gar sehr betrübt. In solchen traurigen Gedanken lag auch an einem Sonntagmorgen Marzibille und der Fischer im Bett und sprachen von ihrem Ameleychen. »Ach!« sagte der Fischer, »was die Sonne so schön über dem Rhein aufgeht; gehen wir hinaus und rufen dem Goldfischchen, vielleicht bringt es heute Nachricht.« Sogleich machten sich beide auf, füllten das Glas des Fischchens mit frischem Wasser und streuten Brosamen hinein, und nun gingen sie, da die ganze Stadt noch schlief, an den Fluß und setzten sich an die Stelle, wo das Fischchen vor einem Jahr dem Ameleychen in den Schoß gesprungen war, und nun rief Marzibille:
Sonnenschein
Überm Rhein,
Goldfischlein
Im Wellenschein,
Sag geschwind
Wie der Wind,
Ob mein Kind
Wolle oder Seide spinnt!
Siehe, da machte das Wasser einige Ringe, und hopp! sprang das Goldfischlein der Fischerin in das Glas, das sie auf dem Schoß hatte, und sprach:
Seide, Seide, Seide
Spinnt dein Kind voll Freude;
In dem Sonntagskleide
Sitzt es auf dem Wasserschloß
In des alten Rheines Schoß;
Spielt ihm in dem grünen Bart
Mit den kleinen Händen zart;
All die andern Kinder sitzen
Rings und tun die Ohren spitzen,
Weil der alte Wassermann
Märchen schön erzählen kann;
Und die fromme Prinzessin
Sitzt im Kreise mittendrin;
Ameleychen läßt euch grüßen
Recht von Kopf bis zu den Füßen,
Danket euch für Rock und Schuh,
Für das Hemdlein auch dazu!
Als der Fischer und die Fischerin diese Worte des Goldfischchens gehört hatten, waren sie ganz außer sich vor Freude; sie liefen geschwind mit dem Goldfischlein nach Hause, deckten ihr Tischchen mit einem weißen Tuch, stellten das Fischlein drauf und setzten sich beide dazu, und nun sprach Marzibille: »Erzähle, Fischchen, erzähle«; aber da kam
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