Rheinmaerchen
frömmste liebste Kind hier’, und legte die den Karpfen abgenommenen Kleider auf den Schemel, der an der Wiege stand; der Main stellte die roten Schuhe, worin ich saß, auch dazu, die Pegnitz legte ihm die schönste Puppe in die Arme, und jede Nymphe gab ihm das beste, was sie hatte; und dann zogen sie alle miteinander in die Hohe und schwammen in die Grotten, die ihnen angewiesen waren. Der alte Wassermann sagte jeder gute Nacht und machte die Türe zu; dann riegelte er auch nochmals die obere Türe des ganzen Schlosses zu, drehte sich um und segnete das ganze Haus, und schlüpfte auch in ein Felsengewölb, wo er schlief.«
»Ei! Ei!« sagte der Fischer, »mein lieber Goldfisch, du machst einem das Leben recht sauer und hältst einen lange hin, bis du auf den Punkt kömmst, ob wir unser Ameleychen auch je wieder zu sehen kriegen; sonst sagt das Sprüchwort: stumm wie ein Fisch; bei dir könnte man sagen: geschwätzig wie ein Fisch.«
»Ach lieber Petrus!« – so hieß der Fischer – sagte Marzibille, »laß ihn nur ruhig fortreden, ich höre ihn gar gern, ich gehe jeden Schritt und Tritt mit ihm und denke mir, daß Ameleychen das alles erlebt hat, und ich hoffe, wenn die Kinder so heil und gesund und in so guter Pflege sind, Gott wird sie uns noch einmal wiederschenken; erzähle, Goldfischchen, erzähle!«
»Ja, Gott wird sie euch wiederschenken,« sagte Goldfischchen, »darüber seid ruhig, und verzeiht mir, daß ich das Herz so voll habe, daß ich euch dies gleich zu sagen vergessen, und laßt ihr mich nun ohne Unterbrechen fortreden, so sollt ihr bald hören, wie eure Kinder zu retten sind. – Als nun der Wassermann zur Ruhe gegangen war, war ich es allein, der wachte; das Kristallwasser, welches das Schloß anfüllte, ward immer ruhiger, die ganze Herrlichkeit ober mir war klarer zu sehen; ich hörte rings die Herzen all der Kinder pochen, und sah, wie das Wasser über ihrer Brust leise davon zitterte; ach! ihr könnt nicht denken, wie mir freudig und selig zu Mute war, als ich Ameleychens Herz pochen hörte und das Wasser über seiner Brust zittern sah; ich konnte mich nicht mehr halten, ich schlüpfte aus meinem Schuh heraus, und schwamm in das bewegte Wasser über Ameleychens Herz, und ruhte so lange in der von ihrem Leben bewegten Flut mit unendlicher Liebe. Als ich so stillestand und das liebe Gesichtchen betrachtete, bewegte Ameleychen seine Lippen und sprach im Traume: ‘Ach, liebe Mutter! ich bin recht erschrocken, ich bin ins Wasser gefallen; aber es ist recht schön hier; ich bin bei frommen Leuten, meine Pate, die gnädige Prinzessin, ist auch hier; Mutter, komm doch auch.’«
Als die Fischerin dieses hörte, fing sie heftig zu weinen an, und schrie: »Ja, ja, ich will kommen; drum hat es mich immer so hinuntergezogen, wenn ich am Rhein ging, du hast mir gerufen« – und nun wollte sie zu der Türe hinauslaufen und sich ins Wasser werfen; aber Petrus hielt sie beim Rock zurück und sagte: »Bleib sitzen, Marzibille! und laß den Fisch ausreden; hernach, wenns nötig ist, springe ich mit in den Rhein.« Marzibille umarmte den guten Petrus, da er dies gesagt, und sie saßen mit verschlungenen Armen bis zum Ende der Erzählung.
»Mich rührte diese Rede wie euch,« sagte Goldfischchen, »und als über ein Weilchen das Kind wieder sagte: ‘Goldfischchen! Goldfischchen! wenn du hier wärest, das wäre ein herrlich Leben für dich und für mich’ – da war ich so über die Rede erfreut, daß ich näher zu ihm schwamm und mich zwischen es und die Puppe an sein liebes treues Herzchen legte.«
»Hat es denn von mir gar nicht gesprochen?« fragte Weißmäuschen traurig.
»Warte nur ein bißchen,« sagte der Fisch, »gleich kömmt auch die Reihe an dich. Ich schlummerte an einer so lieben Stelle und erwachte nicht eher als durch den Druck von Ameleychens Hand. Die Sonne ließ eben ihre ersten Strahlen in den Rhein niedersinken, der wie ein fließendes Gold zitterte; man sah die Felsen oben und die Städte und die Berge und die Menschen und die Schiffe; man sah an der Felswand das ganze Haus der Frau Lureley hinauf bis an den blauen Himmel, wo die Vögel hin und her schwebten; man sah den Reiher niederstürzen und einen vorwitzigen Fisch holen; ein Schifflein zog oben, und darauf fuhren zwei Knaben, der eine freudig mit braunen Haaren, der andere traurig mit schwarzen Haaren. Als sie an dem Fels waren, riefen sie:
Lureley! Lureley!
Es fahren zwei Freunde vorbei.
Und nun sang der Schwarze:
Am
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