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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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Rheine fahr ich hin und her
Und such den Frühling auf;
Mein Sinn so leicht, mein Herz so schwer,
Wer wiegt sie beide auf?
Der Mond gehet unter,
Die Liebe geht unter,
Das Schiff zieht hinunter,
Wer hält sie auf?
    Und Frau Lureley rief siebenmal zurück:
    Wer hält sie auf?
    Und dann sang der Braune:
    Die Sonne geht auf,
Wonne, Wonne, still in Schauern
Dich umfangen, frische Luft;
Sinnend auf die Strahlen lauern,
Spielend in dem Morgenduft;
Lieben und geliebt zu werden
Ist das Einzige auf Erden,
Was ich könnte, was ich dächte, was ich möchte,
Daß es mir nur könnte werden,
Lieben und geliebt zu werden.
    Und nun sprach Frau Lureley ihm siebenmal zurück:
    Lieben und geliebt zu werden!
    und sie schwammen hinab. – Darüber nun war Ameleychen aufgewacht, und hatte mich bemerkt und nahm mich voller Freude in die Hand, wodurch ich auch erwachte. Ihr könnt gar nicht denken, wie das Kind mich herzte und drückte, und es fragte gleich nach der Mutter und dem Vater, und auch nach dir, Weißmäuschen, und ich erzählte alles, was ich wußte, und kaum hatten wir eine halbe Stunde gesprochen, so rauschte der Rote und Weiße Main und die übrigen Nymphen aus ihren Grotten und begannen ein Morgenlied, worauf der alte Vater Rhein und die Kinder sich alle regten und die Augen wischten. ‘Geschwind’, sagte Ameleychen zu mir, ‘verstecke dich in meine gläserne Wiege, wo du alles hören und sehen kannst; denn es dürfen keine Fische hier herein; auf die Nacht, wenn alles schläft, rede ich wieder mit dir’ – und nun steckte sie mich in die Wiege, an eine bequeme Stelle, wo ich alles belauern konnte. Als die Kinder rings erwachten und ihre Spielsachen fanden, entstand ein allgemeiner Jubel. Alle schrieen: ‘Das Christkindchen war da, der heilige Niklas war da!’ Alle Knaben zogen auf Steckenpferden mit Trommeln und Pfeifen am Bette des alten Rheins vorüber. Alle Mädchen kamen mit ihren Puppen und Blumen an das Bett der Prinzessin Ameley; dazwischen sangen die Nymphen das Morgenlied, und man hörte den Gesang der Lerchen, die über dem Wasser die Sonne begrüßten, die durch den ganzen Himmel voll Unschuld und Freude niederstrahlte. Da aber Ameleychen dem Vater Rhein seine Spielsachen zeigte und dabei in neuen hübschen Kleidern und in den roten Schuhen hübsch geputzt dastand, fragte er: ‘Ei Ameleychen, wo hast du denn die Kleider und die roten Schuhe her?’ Da sagte das liebe Kind: ‘Die waren schon lange mein, die Mutter hat sie immer in unserem großen Schranke aufgehoben, sie hat sie mir gewiß herabgeschickt’; und nun kamen die Nymphen und die beiden Brüder Main herab, und nachdem sie der alte Vater Rhein begrüßt hatte, spielten die Nymphen mit den Kindern; aber der alte Rhein, der Rote und der Weiße Main, die Prinzessin und Ameleychen blieben beisammen. Der Main erzählte, wie er die Schuhe gefunden, und wie der Wassermann dem Karpfen die Kleider abgenommen; siehe! da fand Ameleychen einen Zettel in der Tasche ihres Rockes, den ihr Frau Marzibille hineingelegt, und gab ihn der Prinzessin zu lesen:
    Lebst du noch, so bete fromm,
Bist du tot, in Himmel komm;
Bitt die lieben Engelein,
Daß auch ich bald komm hinein.
Dieses ist der einzge Wille
Deiner treuen Marzibille.
    Als Ameleychen dies hörte, fing sie heftig an zu weinen, und rief immer: ‘Ich will sterben, ich will in den Himmel zu meiner Mutter’; auch die Prinzessin weinte sehr, und der alte Rhein war sehr gerührt über Eure Mutterliebe, Frau Marzibille! und die beiden Brüder Main lobten Euch sehr. ‘Ach’, sagte die gute Prinzessin, ‘wenn wir nur die gute Frau könnten wissen lassen, daß Ameleychen noch lebt.’ – ‘Ich weiß nicht, wie es anzustellen ist’, sagte der alte Rhein; ‘ja, wenn Radlauf, der Müller, wiederkäme; ich kann mit den andern Leuten nicht sprechen.’
    Als die Prinzessin den Namen Radlaufs, ihres Bräutigams, hörte, weinte sie von neuem sehr heftig, und der alte Rhein tröstete sie und sprach: ‘Schöne Ameley! ich bin es, der Euch zuerst in seine Arme geführt, ich werde Euch wieder mit ihm vereinigen; und wenn es auf Erden nicht sein kann, so werde ich ihn zu Euch herabbringen, wenn er wiederkömmt, seid ruhig; aber wie fangen wir es denn an, der guten Frau Marzibille Nachricht zu geben? Die großen Fische sind zu grob und zu dumm, die kleinen würden leicht unterwegs von den großen gefressen, und überdies, weil Frau Marzibille eine Fischerin ist, werden die Fische nichts mit ihr zu tun haben wollen.’

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