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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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mit mir gewesen als die gute Frau Lureley, und alles, was sie mir geschenkt, habe ich hingegeben, und doch werde ich geschimpft und geschlagen; giebt es ein größeres Leid als meins? Nein, ich will nicht schlafen heut nacht; ich will zum Brunnen laufen, ehe die Frau Lureley abreist, und ihr mein Elend klagen, vielleicht giebt sie mir Trost und Rat.«
    Geschwind stand sie auf und lief in den Wald an den Brunnen; sie hatte nichts an, als ihren Unterrock und ihr Hemd von grober Leinwand; denn die Schwester, die ihr das Kleid genommen, hatte ihr kein anderes dafür gegeben.
    Es war heller Mondenschein, und sie lief in Angst an den Brunnen und kniete weinend dabei nieder. Anfangs scheute sie sich, der Frau Lureley zu rufen, weil sie fürchtete, sie möge sie aus dem Schlafe erwecken; da aber die Nachtigall sie sah, die sie gar wohl kannte, flog sie nieder zu ihr und setzte sich zu ihr auf den Rand des Brunnens und mischte ihren Gesang mit ihren Klagen. Die Nachtigall aber sang:
    Viele, viele liebe, süße
Mägdlein kenne ich;
Wenn ich sie sehe gehen
Im Taue auf der Aue, ich sie anschaue
Und sie freundlich begrüße,
Wenn sie sich blicken, und pflücken, sich zu schmücken,
Und drücken mit Entzücken
Die lieben Blumen ans kindische Herz
Und sehen in die stillen blauen Augen,
Mit denen der schüchterne März
Die junge Wärme der Sonne
In sich will saugen,
In die kleinen blauen Violen;
Wenn sie auf leichten Sohlen
Bisweilen eilen zum Strauche
Und im duftenden Hauche
Des Sommers sich brechen
Die Rosen und sich stechen,
Dann ruf ich: Weh! weh! weh!
Auf die Dornen seh!
Und sie setzen sich nieder
Beim duftenden, berauschenden Flieder,
Singen Lieder und schmücken das Mieder
Mit süßen Primeln, Aurikeln, Lilien, Basilien,
Hyazinthen, und winden sich Kränze,
Daß ihr Haupt glänze im Lenze,
Dann sende ich süße Grüße, über die Wiese
Weiß ich zu locken die blumengeschmückten, entzückten Docken,
Die Frühlingsgesellen, zu hellen Waldquellen,
Wo in die Wellen sie stellen
Die rosigen Füße, zu kühlen im Schwülen;
Da grüß ich sie alle mit ihres Namens Schalle:
Grüß dich Gott, lieb, lieb Ludmilla!
Lilla! Sibylla! Kamilla!
Grüß dich Gott, lieb, lieb Agneta!
Margaretha! Elisabetha! Ameleya!
Sophia! Dora! Leonora!
Ricke! Fieke! Anna! Johanna!
Marianna! Susanna!
Grüß dich Gott und das Himmelblau,
Süße Jungfrau! aber alle, alle,
Wie auch ihr Name süß schalle,
Sind mir nicht so lieb, lieb, lieb, lieb,
Als du lieb, du süß, du zart, mild Bild,
Du still, fromm, blond, lind Kind,
Du schön, gut, treugemut
Murmeltierchen!
    Murmeltierchen hörte zu, aber sie verstand nicht, was die liebe Frau Nachtigall sang, und sang ihr ganz leise wieder:
    Schweig, liebe Nachtigall!
Daß der laute Widerhall
Nicht Frau Lureley erwecke,
Die hier in dem Brunnen ruht.
Ach, sie ist so lieb, so gut!
Laß sie schlummern und verstecke
Dich hier in der Rosenhecke,
Still, still, still, schweige, schweige!
Rauscht nicht so, ihr Eichenzweige!
Morgenwind, zieh still vorbei,
Wecke nicht Frau Lureley!
Sieh, wie ich so stille weine
Hier im lieben Mondenscheine;
Lasse mich alleine, alleine.
    Als aber Frau Nachtigall den Namen Lureley hörte, gefiel er ihr so gut, daß sie laut zu singen begann:
    Lureley! Lureley –
Klingt süß wie Ameley –
Alle Töne geb ich frei,
Lureley! Lureley!
Komm herbei, herbei, herbei,
Daß das Kind getröstet sei,
Ruf ich immer einerlei:
Lureley! Lureley! –
    Nun erschallte aus dem Brunnen eine Stimme:
    Wer wecket mich,
Das ist nicht fein!
Noch decket mich
Der Mondenschein;
Ich strecke mich
Und schlafe ein.
    »Da hast du’s gehört, Frau Nachtigall! jetzt sei still und verstecke dich.« Frau Nachtigall begab sich hinweg in die Rosenhecke und war ganz mäuschenstille.
    Auch Murmeltier regte sich nicht, und mit dem Haupt an den Brunnen gelehnt, sah das arme Mädchen in den Mond, bis es entschlummerte und nicht eher erwachte, bis die Schwalbe über dem Brunnen am Fels ihr graues Köpfchen zum Nest herausstreckte und dem Morgenstern allerlei vorschwätzte:
    I, wie ziehn die Winde
So geschwinde durch die Linde,
Daß die Blätter zwitschern
Und die Grasspitzen glitzern
Vom Tau, schau!
Da ruht die Jungfrau –
Sie ist gewiß von der Schwester
Gestern wieder geschimpft und gezwickt,
Aus dem Zimmer vertrieben, immer
Ist sie in Zwist, die List
Der bösen Frau Wirx
Quält sie, o, o die verschiednen Geschwister!
Die Schwester lästert und hetzet
Und schwätzet, bis sie das liebe Herz
Mit Schmerz verletzet.
Ach! hätte ich Kisten und

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