Richard Dübell
er. »Sie glauben doch nicht, Sie können mich mit Ihrem Geschwafel ablenken. Das ist die unterste Schublade der Polizeipsychologie.«
»Ich hätte mich schon noch hochgearbeitet.«
»Wer war der Kerl, der sich im Burgstall als Sie ausgegeben hat?«
»Mein Vater.«
Konstantin sah ihn überrascht an.
»Wenn man sich nicht auf die eigene Familie verlassen kann, auf wen dann?«, fragte Peter und sah zu seiner Genugtuung, dass diese Bemerkung ihr Ziel gefunden hatte.
Konstantins Wangenmuskeln zuckten kurz, aber dann lächelte er erneut. »Nun, Sie haben sich jetzt einen neuen Auftritt verschafft«, sagte er zu Peter. »Er wird viel mehr Aufsehen erregen als der im Burgstall.«
Peter musterte aus den Augenwinkeln die Konstruktion, die beim Fenster stand. Sie bestand aus einem auf ein Stativ montierten Schweißbrenner sowie einer Pfanne, die auf mehreren zusammengestellten Benzinkanistern aus Plastik stand. Der Schweißbrenner war auf die Pfanne gerichtet. Der Hochzeitsschmuck lag in einem unordentlichen Haufen daneben, aber es war klar, dass Konstantin vorhatte, ihn in die Pfanne zu legen. Wenn sich die Flamme des Brenners durch den Schmuck und das Gusseisen der Pfanne selbst gefressen hätte, würden die Benzinkanister noch einen Wimpernschlag lang widerstehen und dann explodieren.
Konstantin hatte Peters Blick bemerkt. Er machte eine Kopfbewegung. »Treten Sie zurück«, sagte er.
Peter sah Flora in die Augen. Er sah ihre Angst, aber er sah auch ihre Hoffnung, dass er irgendeine Idee hatte, wie sie aus dieser Situation herauskommen würden.
»Sie schaffen es nicht, den Schweißbrenner in Gang zu setzen und gleichzeitig mich in Schach zu halten«, sagte er.
»Dann werde ich Sie wohl erschießen müssen.«
»Dann kann ich ja genauso gut versuchen, Ihnen vorher den Hals umzudrehen«, erwiderte Peter und machte einen Schritt nach vorn.
Konstantin richtete die Waffe auf ihn.
»Sie müssten beim ersten Schuss treffen«, erklärte Peter. »Zu einem zweiten haben Sie keine Zeit.«
»Ich werde einfach Sie bitten, das Ding in Gang zu setzen.«
»Bin gespannt, wie Sie mich dazu überreden wollen.«
»Das geht ganz einfach«, sagte Konstantin. Er presste die Mündung der Waffe unter Floras Kinn. »Mir scheint, Sie haben was für Ihre Kollegin übrig. Tun Sie, was ich sage, oder von ihrem schönen Gesicht bleibt nichts übrig.«
»Was für einen Unterschied macht es, ob Sie jetzt schießen oder ob hier nachher alles …« Peter machte eine Handbewegung, die andeuten sollte, wie alles in die Luft flog.
»Der Unterschied ist der, dass Sie es nicht mit ansehen können, wie Ihre Kollegin noch vor Ihnen stirbt.« Er warf Flora einen Seitenblick zu. »Oder sollten Sie sich so in ihm getäuscht haben?«, fragte er sie.
»Schon gut«, rief Peter. »Ich mach’s!«
Er beugte sich über die Konstruktion und tat so, als würde er sie studieren. Dann griff er in den Haufen Schmuck und richtete sich mit einem Teil davon auf. Es war das Haarnetz. Die Perlen schimmerten. Er hielt es ins Scheinwerferlicht. Jetzt kam es darauf an, ob er richtig verstanden hatte, was vor fünfhundert Jahren geschehen war und was aus Tristan und Konstantin Heigl die Menschen gemacht hatte, die sie waren.
Wenn es dich je gegeben hat, Peter Bernward aus dem Mittelalter, dachte er, dann steh mir jetzt bei!
»Jammerschade«, sagte er laut, »dass Sie all das vernichten wollen. Wie hieß der Mann, der den Schmuck nach Landshut hätte bringen sollen? Albrecht Hugbald? Der Mann, dem man am Allerheiligentag 1475 den Schmuck anvertraut hatte und der ihn stattdessen stahl und seiner ganzen Familie Schande brachte?«
»Was soll das Gerede?«, fragte Konstantin. »Sie hören sich an wie mein Vater.«
Ich höre mich nicht an wie er, sondern ich rede für ihn, dachte Peter. Das steinerne Gesicht Tristan Heigls hatte sich ihm zugewandt.
»Dabei ist es ganz anders gewesen. Nicht Hugbald, sondern der Polenkönig und die Landshuter Delegierten spielten ein falsches Spiel. Hugbald hingegen wollte den Schmuck nicht rausrücken, als ihn die Soldaten des Königs umzingelten. Albrecht Hugbald hielt seinem Herzog die Treue und bezahlte dafür mit seinem Leben und der jahrhundertelangen Schande auf seiner Familie.«
»Ich hab diesen Mist mein ganzes Leben lang anhören müssen«, zischte Konstantin. »Mich beeindrucken Sie nicht damit, dass Sie diese Geschichte auswendig gelernt haben. Und jetzt schalten Sie den Schweißbrenner ein und werfen den Schmuck in die
Weitere Kostenlose Bücher