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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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und erklären ihm, er soll sie mir aushändigen.«
    »Ich telefoniere nicht so gerne«, gestand Lukastik geradezu schüchtern. »Und Longhi auch nicht.«
    »Überwinden Sie sich«, verlangte Olander, griff in seine Tasche, holte ein Handy heraus, drückte die eingespeicherte Nummer von Longhis Büro und hielt das Gerät Lukastik gerade vor die Brust hin, als ersuche er ihn, einen toten Hamster zu beerdigen.
    Lukastik nahm den Hamster und hielt ihn sich ans Ohr. Die Dame aus dem chinesischen Zirkus meldete sich.
    »Hier ist Lukastik. Ich möchte Herrn Longhi sprechen.«
    »Exuse me…«
    »Tell him, it’s about the monkey.«
    »Monkey?«
    »Tell him!«
    Kurz darauf war Longhi am Hörer.
    Lukastik sagte: »Treffen Sie sich bitte mit Olander. Und geben Sie ihm die Figur.«
    »Wo sind Sie?« fragte Longhi.
    »Am Flughafen.«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Na ja, in meinem Wagen wurde ein Toter gefunden, in meiner Wohnung die Tatwaffe, und ein zweiter Mord wird mir auch noch angelastet. Und am schlimmsten ist, man bringt mich nach Wien zurück, um mich dort vierzuteilen. Aber das braucht Sie nicht zu kümmern. Geben Sie Olander die Figur. Dann wird wenigstens die Sammlung endlich wieder komplett sein.«
    »Also gut. Wann und wo soll ich Herrn Olander treffen?«
    »In zwei Stunden. In einem Hotel, das den Namen A Longer Finnegans Wake trägt. Nahe dem Quartiere T8.«
    »Warum dort?«
    »Weil Sie da noch etwas für mich tun können. Fragen Sie nach meiner Schwester. Richten Sie ihr aus, sie soll ein paar Tage in Mailand bleiben, bis sich die Wiener Gemüter beruhigt haben und bis die Leute, die mich so hassen, wieder halbwegs vernünftig denken können.«
    »Ihre Schwester wird Näheres wissen wollen.«
    »Nein, wird sie nicht«, versprach Lukastik. Dann verabschiedete er sich, dankte Longhi, legte auf und gab den steifen, toten Hamster zurück an Olander. »Sie haben gehört, in zwei Stunden in diesem Hotel. Kennen Sie es?«
    »Ich kann mich erinnern, einmal dort gewesen zu sein. Mit einem Urwald mittendrin.«
    »Genau.«
    »Gut«, sagte Olander, »dann gehe ich jetzt.«
    »Ja, gehen Sie.«
    »Sie werden mich nicht verraten?«
    »Ach wissen Sie«, meinte Lukastik gelassen, »vom philosophischen Standpunkt ist alles nur eine Versuchsanordnung. Ich sehe mir einfach an, was dabei herauskommt, wenn ich Ihnen helfe. Ob der Aggregatzustand sich ändert oder nicht.«
    »Sie sind ein guter Mann«, sagte Olander und bewegte sich zur Türe.
    »Ich bin eine gute Maschine«, erwiderte Lukastik, aber da hatte Olander den Raum bereits verlassen.
    Es versteht sich, daß während des Gesprächs immer wieder Leute in die Toilette getreten waren, um ihre Notdurft zu verrichten, ohne sich aber um die beiden Männer zu kümmern, die redend und telefonierend eine Kabinentüre verstellt hatten. Es versteht sich auch, daß Lukastik noch eine kurze Weile wartete, um Olander einen Vorsprung zu verschaffen, bevor er den abgeteilten Raum öffnete, sich zu dem Polizisten hinunterbeugte und ihm sein Portemonnaie aus der Sakkotasche zog, welches er einsteckte. Dann wartete er den Moment ab, bis niemand mehr im Gang stand, schleifte den noch immer bewußtlosen Beamten nach draußen und legte ihn sachte ab. Er verließ die Toilette und marschierte hinüber zu dem anderen Polizisten, breitete die Arme aus, als fange er die ersten Schneeflocken eines frühen Winters, und erklärte, daß man überfallen worden sei.
    Wenig später nützte Lukastik die allgemeine Verwirrung, um die Geldbörse in einen Mülleimer zu werfen. Die Frage, weshalb nur sein Bewacher, nicht aber er selbst von den Tätern betäubt und beraubt worden war, beantwortete er mit einem Achselzucken. Es war nicht an ihm, die Strategie von ihm unbekannten Verbrechern zu analysieren. Schon gar nicht, solange er selbst verdächtigt wurde, ein solcher Verbrecher zu sein.
    Die Sache war extrem unklar. Aber die ganze Welt war extrem unklar. Die Welt lag verschleiert in einem Hiltroffer Nebel, einem Nebel allerdings, der Augenblicke allergrößter Klarheit aufwies. Selbstredend konnte man die Klarheit nur sehen, wenn man richtig stand. Und wenn man bereit war, nicht alles durchschauen zu wollen.
    Als Lukastik Stunden später – zurück in Wien, wie man sagt: Bei den Hyänen war es gemütlicher – einer Versammlung hoher Polizeiherren Rede und Antwort zu stehen hatte und man ihm die verwirrende Geometrie des Falls vorwarf (gerade so, als sei er ein Schriftsteller, der den Plot zu verantworten

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