Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz
sich eben mit einem nicht geständigen begnügen.
»Gehen wir«, sagte der Größere und legte Lukastik eine Handschelle an, deren zweiten Teil er um das eigene Handgelenk fixierte.
»Das sieht beschissen aus«, kommentierte Lukastik. »Wie in einem Film mit Michael Douglas.«
»Was haben Sie gegen Michael Douglas?« fragte der Mann mit der Bleistiftnase.
»Sie gehören sicher zu denen«, vermutete Lukastik schnippisch, »denen Basic Instinct gefallen hat.«
»Ja, warum nicht?«
»Wissen Sie, ich stelle mir vor, das Flugzeug, in das wir jetzt steigen werden, stürzt ab. Und ich bin an einen Mann gekettet, der einen schwachsinnigen Thriller mit rattenschlechten Schauspielern mag, einen Film, dessen einziger Höhepunkt darin besteht, eine Frau zu zeigen, die kein Höschen trägt.«
»Wenn wir abstürzen, kann Ihnen das egal sein.«
»So denken Kleingeister«, sagte Lukastik. »Gerade wenn ich abstürze, möchte ich in guter Gesellschaft sein. In Würde sterben. Und nicht Handschelle an Handschelle mit einem Banausen.«
Es tat Lukastik gut, so zu sprechen. Das brauchte er hin und wieder. Der großgewachsene Polizist aber gab sich gleichgültig. Was sollte er auch tun? Er hatte seine Anweisungen. Er sagte: »Sie müssen sich ja nicht mit mir unterhalten.«
»Worüber denn auch?«
Natürlich, Lukastik wäre lieber an den kleineren der beiden Beamten gehängt worden. Aber so war das immer. Man kam ständig am Falschen zu hängen.
Mit diesem falschen Mann verbunden, saß Lukastik eine Stunde später in einer Halle des Flughafens Malpensa. Der übliche Lärm, die übliche schlechte Luft, Lautsprecherdurchsagen, die immer so klangen, als rufe man die Leute auf, sich bei einer bestimmten Himmelspforte zu melden. Es war wohl wegen dieser weichen Frauenstimmen, daß man an Himmelspforten dachte, während ja in Wahrheit die Fliegerei bedeutet, von einer Minigolfbahn des Lebens zur nächsten befördert zu werden.
Links von Lukastik saß der kleinere Polizist. Er hatte die Hände über Kreuz im Schoß liegen, als nehme er Maß für einen Unterleibsschutz. Als das endlich erledigt war, holte er ein Handy aus der Tasche und ließ seinen Daumen wie einen pummeligen kleinen Solotänzer über die Tastatur hüpfen, um SMS zu spielen. Es sah putzig aus. Ein Kind und sein Setzkasten.
Man wartete auf irgendein Dokument, welches noch zu unterschreiben war, bevor es dann über einen Seitenweg zu einer ganz regulären Linienmaschine gehen würde.
Alle drei Männer schwiegen. Lukastiks Bemerkung über Michael Douglas schien jegliche Gesprächsbasis durchtrennt zu haben, was Lukastik nur recht sein konnte. Er mußte die nötige Ruhe finden, um sich eine Geschichte auszudenken, die er seinen Vorgesetzten präsentieren konnte. Denn mit der Wahrheit würde er kaum punkten. Seine Vorgesetzten waren Bauern, denen man Bauerngeschichten auftischen mußte. Aber was für eine bloß? Lukastik war ja alles andere als der Rosegger unter den Kriminalpolizisten. Er verabscheute das Bäurische, jede Art des Bäurischen. – Er fluchte ein tonloses Gebet.
Dann sah er ihn.
Ja, es war Vinzent Olander. Er trug eine Sonnenbrille, hatte die Haare schwarz gefärbt, wirkte fülliger, aber sein Anzug und sein in verschiedenen fliederblauen Tönen gestreiftes Seidenhemd waren unverkennbar. Dazu kam die Körperhaltung des erhabenen Alkoholikers, welcher niemals wankt, aber auch nie gerade steht. Durchaus wie man das von schiefen Türmen kennt, deren gefährlich anmutende Neigung kaum zu der Annahme führt, sie könnten einmal umstürzen. Auch Olander würde nicht umstürzen, gleich wieviel er trank. Er hob wie zum Zeichen leicht die Hand an, dann marschierte er hinüber zu einer Reihe von Türen und verschwand in der Toilette.
Lukastik stieß seinen rechten Begleiter an und erklärte, er müsse mal.
»Hat das nicht Zeit bis Wien?«
»Ist das Ihr Ernst?« fragte Lukastik zurück.
Der Mann mit der Bleistiftnase erhob sich mit einem Seufzen. Lukastik folgte rasch seiner Bewegung, um nicht wie ein Sack hochgezogen zu werden.
»Wartest du hier?« fragte der Größere den Kleineren.
Dieser blickte kaum vom Display seines Handys auf und nickte abwesend.
»Na, dann gehen wir.«
Es war ein komisches Gehen, quasi Hand in Hand. Peinlich für beide, wie die Leute ihnen nachsahen, als wären sie schwul. Die wenigsten bemerkten die Handschellen. Jeder war geblendet vom Eindruck des Schwulen.
Als sie in den Toilettenraum getreten und die Reihe von Pissoirs
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