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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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Ludwig II. zwischen 1864 und 1883 an Wagner geschrieben; hinzu kommen 14 Gedichte und 70 Telegramme. Und Wagner schickte dem König 183 Briefe, zwei Gedichte und 86 Telegramme.
    Im Juli 1864 schreibt Wagner für den König die Abhandlung Über Staat und Religion , in der er einerseits seine Beteiligung an der Revolution diplomatisch herunterspielt, anderseits gewissermaßen aus seiner Dresdener Rede Wie verhalten sich republikanische Bestrebungen dem Königtum gegenüber? (1848) die Idee einer republikanischen Monarchie wieder heraufholt, die er drei Jahre später in seiner umfangreichen Schrift Deutsche Kunst und deutsche Politik weiter entfalten wird. Wie an allen Hauptstädten seines Wirkens, ob Dresden, Zürich oder Wien, verfasst er im März des nächsten Jahres auch in München eine auf die lokalen Gegebenheiten abgestimmte Reformschrift: Bericht an Seine Majestät den König Ludwig II. von Bayern über eine in München zu errichtende deutsche Musikschule , die vor allem der Entwicklung eines nationalen »Gesangsstyls« dienen soll, ein nachdrücklich verfolgter und von der Presse kritisch kommentierter Plan, der natürlich vor allem der exemplarischen Aufführung seiner eigenen Werke dienen sollte. Doch nicht nur verbal huldigt Wagner dem König – und sucht ihn für seine kulturpolitischen Ziele zu begeistern –, sondern mit seinem im August komponierten Huldigungsmarsch (WWV 97) auch musikalisch; am 5. Oktober 1864 wird er in Anwesenheit des Königs in der Münchener Residenz uraufgeführt. Im Oktober erteilt Ludwig II. Wagner o ffi ziell den Auftrag zur Vollendung des Ring – nach siebenjähriger Unterbrechung . Im selben Monat bezieht er eine vom König ihm geschenkte Villa in der Brienner Straße 21, gegenüber den Propyläen.
    Zumal für die spätere Aufführung der Ring -Tetralogie erteilt Ludwig II. Gottfried Semper den Auftrag für ein Festtheater. Ein solches war von Anfang an integrierender Bestandteil des Ring -Projekts, denn die Aufführung der Tetralogie ließ sich nach Wagner nur im Rahmen von Festspielen nach dem Modell der attischen Dionysien adäquat verwirklichen, welche den kommerziellen Betrieb des Repertoiretheaters sprengen sollten. In seinem Vorwort zur ö ff entlichen Ausgabe der Ring -Dichtung (1863), dessen Schlussappell Ludwig II. mit solcher Begeisterung aufgreifen sollte, hatte Wagner allerdings betont, dass er bei seinem »Bühnenfestspiel« an ein »provisorisches Theater« denke, »so einfach wie möglich, vielleicht bloß aus Holz«. Es solle frei sein »von den Einwirkungen des Repertoireganges unserer stehenden Theater« und von den Gep fl ogenheiten des großstädtischen Amüsierpublikums. »Demnach hatte ich eine der minder großen Städte Deutschlands, günstig gelegen, und zur Aufnahme außerordentlicher Gäste geeignet, anzunehmen, namentlich eine solche, in welcher mit einem größeren stehenden Theater nicht zu kollidiren, somit auch einem großstädtischen eigentlichen Theaterpublikum und seinen Gewohnheiten nicht gegenüber zu treten wäre.« (GS VI, 273) Wagners Beschreibung des erträumten Festspielortes ist eine Vision Bayreuths – lange bevor er daran gedacht hat, die kleine fränkische Residenzstadt als Festspielort zu wählen.
    Nun aber kam – in der tiefsten materiellen und existentiellen Krise Wagners – das Angebot des bayerischen Königs, ihm in München ein Festspielhaus für die Aufführung des Rings zu bauen. Es war für Wagner unmöglich, dieses Angebot auszuschlagen. Gleichwohl blieb ihm nicht verborgen, dass seine Festspielidee mit den Theatervorstellungen des jungen Königs schwerlich kongruierte. Statt des »provisorischen« plante Ludwig II. ein steinernes Monumentaltheater in so gewaltigen Dimensionen, dass alle anderen geschlossenen Theaterbauten der Geschichte dadurch in den Schatten gestellt werden sollten. Wer könnte es Wagner, dem soeben aus fi nsterer Misere Aufgestiegenen, dem durch den neuen Glanz die Augen noch geblendet waren, verübeln, dass er sich kurzzeitig auf diesen Plan einließ und für seine Realisierung den alten Freund Gottfried Semper vorschlug.
    Das von Semper entworfene Festspielhaus sollte das ganze Stadtbild beherrschen, den Abschluss eines gewaltigen Straßenzuges von der Brienner Straße bis zur Isar bilden, der für München städtebaulich höchst attraktiv gewesen wäre. Wie wenig Wagner an einem solchen Monumentalbau im Grunde gelegen war, zeigt die Notiz in seinen Tagebuchaufzeichnungen Das Braune Buch vom

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