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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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den späten Abendessen folgen frühe Nachtmähler, und wohlgemerkt serviert man in allen Häusern am nächsten Morgen auch ein Frühstück. Der Herr wird selbst feststellen, wie lebhaft es auf der Paradiesinsel zugeht. Wahrhaftig sehr lebhaft!«
    »Hoffentlich merke ich davon nichts in meinen Räumen. Ich habe einen anstrengenden Ritt hinter mir und muß morgen in der Frühe weiterreisen. Daher will ich bald zu Bett gehen. Meine Zimmer sind vermutlich ruhig, wie?«
    »Gewiß, Herr, sogar sehr ruhig!« murmelte der Graukopf. Rasch ging er voran und führte den Richter in einen langen, halbdunklen Gang hinein. Am Ende wurde ein hohes Tor sichtbar.
    Der alte Schreiber hob seinen Lampion hoch, so daß das Licht auf die verschlungenen Holzschnitzereien der Füllung fallen konnte, die verschwenderisch mit Goldlack ausgeschmückt waren. Er öffnete das schwere Tor und bemerkte dabei:
    »Die Gemächer liegen geradeaus gegenüber der Rückseite der Herberge, Herr. Sie bieten einen herrlichen Blick auf den Park. Und wie ruhig sie sind!«
    Er wies den Richter in ein kleines Vorzimmer mit je einer Tür auf beiden Seiten. Er schob den Vorhang von der Tür zur Rechten zurück und schritt ihm voran in ein geräumiges Gemach. Er ging sofort zu dem Tisch in der Mitte des Zimmers und entzündete die dort stehenden beiden Silberleuchter; dann öffnete er die Tür und das Fenster, die in die Hinterwand eingebaut waren.
    Richter Di fiel die ziemlich muffige Luft auf, aber sonst machte das Zimmer einen recht behaglichen Eindruck. Der Tisch und die vier hochlehnigen Stühle waren aus geschnitztem Sandelholz, dem man die Naturfarbe belassen und eine glänzende Politur gegeben hatte. Die Liege an der rechten Wand war aus demselben Material; desgleichen der elegante Toilettentisch gegenüber – allesamt schöne, antike Möbel. Die Wände schmückten Malereien auf weißer Seide von Vögeln und Blumen, die eine große Kunstfertigkeit aufwiesen. Er sah, daß die hintere Tür auf eine breite Veranda hinausging, die an allen drei Seiten umsäumt wurde von dicken, aus dem oberen Bambusgitter herabhängenden Glyzinientrauben. Vorn unten war ein dichter, hoher Gebüschstreifen, und hinter ihm dehnte sich ein weiter Park aus, der mit seinen bunten, an farbigen Seidengirlanden befestigten Lampions inmitten der hohen Bäume einen märchenhaften Eindruck machte. Etwas weiter abseits lag ein vom Laubwerk halbverdecktes zweistöckiges Haus. Abgesehen von der gedämpften Musik, die aus dieser Richtung kam, war es wahrlich ruhig hier.
    »Dies, Herr, ist das Wohnzimmer«, erklärte der Graukopf unterwürfig. »Das Schlafzimmer befindet sich auf der anderen Seite.«
    Er führte den Richter ins Vorzimmer zurück und öffnete links die schwere Tür mit einem Schlüssel, der auffallend kompliziert gearbeitet war.
    »Warum ein so kunstvolles Schloß?« fragte Richter Di. »Innentüren versieht man selten mit Schlössern. Fürchtet man sich hier vor Dieben?«
    Der andere lächelte schlau.
    »Die Gäste möchten hier … nun ja … ungestört sein, Herr!« Dabei kicherte er, fuhr aber schnell fort: »Das Schloß ging vor kurzem entzwei, doch wurde es ersetzt durch eins vom gleichen Muster, das von innen und außen geöffnet werden kann.«
    Auch die Einrichtung des Schlafzimmers erwies sich als luxuriös. Links stand ein ungeheuer großes Himmelbett, vor ihm der Tisch und ein paar Stühle, in der Ecke gegenüber der Waschtisch nebst einem Toilettentisch, alles aus geschnitztem Holz und hellrot lackiert. Der Betthimmel bestand aus schwerem rotem Brokat, während ein dicker roter Teppich den Boden bedeckte. Nachdem der Schreiber die Läden des einzigen Fensters in der Hinterwand geöffnet hatte, konnte der Richter durch das Gitter aus schweren Eisenstangen wieder in den Park blicken, der sich hinter der Herberge ausdehnte.
    »Diese Wohnstatt wird der Rote Pavillon genannt, weil das Schlafzimmer durchweg in roter Farbe gehalten ist, so vermute ich, nicht wahr?«
    »Richtig, Herr. Seit achtzig Jahren ist es so, in Wahrheit seit der Zeit, als die Herberge gebaut wurde. Ich werde gleich eine Dienerin mit dem Tee schicken. Wollen Euer Gnaden draußen zu Abend essen?«
    »Nein. Ich möchte meinen Reis hier serviert haben.«
    Als sie zum Wohnzimmer zurückgingen, trat Ma Jung ein, beladen mit zwei umfangreichen Satteltaschen. Geräuschlos verschwand der Graukopf auf seinen leisen Filzsohlen. Ma Jung machte die Satteltaschen auf und begann die Kleider des Richters Di auf der

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