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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Es ist schon spät, deine Mutter würde mir was husten. Ihr kleinen Schlawiner gehört längst ins Bett.«
    Â»Gibt’s noch Pudding?«
    Â»Du kriegst Albträume, wenn du vor dem Schlafen zu viel isst.«
    Â»Ich krieg Albträume, wenn ich weiß, dass noch Pudding in Ihrem Kühlschrank steht.«
    Â»Ich würde auch nicht Nein sagen«, sagte Oskar.
    Frau Dahling guckte ihm genau in die Sonnenbrille. Es sah so aus, als wollte sie den Kopf schütteln, aber nach kurzem Überlegen nickte sie, wahrscheinlich, weil Oskar den Teddy hochhob und ihr mit einem Bärchenarm zuwinkte.
    Als sie uns eine Schokopuddingfuhre später im Flur zwischen den Kitschbildchen verabschiedete, beugte sie sich runter und flüsterte mir ins Ohr: »Tut mir wirklich leid, dass dein kleiner Freund diese Augenkrankheit hat. Tapferes Kerlchen!«

    Â»Wir könnten kurz oben beim Bühl klingeln«, schlug ich vor, als Frau Dahlings Tür hinter uns zugefallen war. »Vielleichtist er schon wieder aus seiner Sonderurlaubserholung zurück und lässt uns rein.«
    Â»Wo war er denn überhaupt?«
    Â»An der Westsee. Er –«
    Â»Du meinst die Ostsee.« Oskar turnte neben mir die Treppe rauf ins nächste Stockwerk. »Vielleicht aber auch an der Nord-«
    Â»Ja, ja … ist doch schnuppe, oder?«
    Dass der immer so kleinlich sein musste.
    Bevor der Bühl weggefahren war, hatte ich eine Weile lang heimlich gehofft, er würde Mama und mich mitnehmen, egal in welche Himmelsrichtung. Schließlich war ich ja zum Teil verantwortlich gewesen für seinen Erfolg. Er war aber heimtückisch ohne uns abgehauen. Ich war echt gespannt, welche Ausrede er dafür hatte.
    Â»Ist es nicht schon zu spät, um ihn jetzt noch zu stören?«, flüsterte Oskar, als ich schon so fest wie möglich den Klingelknopf drückte, damit es in der Wohnung laut genug rappelte.
    Â»Quatsch. Der freut sich bestimmt, wenn er uns sieht.«
    Hoffte ich jedenfalls.
    Das Klingeln war ein voller Erfolg. Von drinnen kam die Stimme vom Bühl, wie er irgendwas rief. Schritte näherten sich. »Und vorsichtshalber erst mal kein Wort über Mama und die Handtaschen!«, konnte ich Oskar gerade noch zuzischen. Dann ging die Tür auf.
    Mein Mund auch, weil mir die Kinnlade runterfiel.
    Â»Na, sieh mal einer an – das Müffelchen«, sagte die rothaarige Frau mit der Perlenkette und dem grünen Kostüm. »Was für ein Zufall.«
    Sie lächelte mich genauso freundlich an wie heute Mittag im Edeka-Laden, aber ich konnte nicht zurücklächeln, weil ich gerade überlegte, ob man an einem Schock ersticken kann, weil man plötzlich keine Luft mehr kriegt, oder ob irgendwas in einem von alleine dran denkt, lieber doch weiterzuatmen.
    SCHOCK : Wenn man so erschüttert ist, dass der Körper und das Gehirn alle lebenswichtigen Funktionen einschränken, um sich erst mal zu erholen. Also zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall oder wenn man bemerkt, dass der Kühlschrank leer ist und die Geschäfte schon zu sind, sogar der Spätkauf.
    Â»Wer ist denn da?«, hörte ich den Bühl rufen.
    Â»Tja«, sagte die Frau und sah mich und Oskar dabei fragend an, ohne ihr Lächeln abzustellen, »wer ist denn eigentlich da?«
    Bei mir ging immer noch gar nichts, aber Oskar streckte eine Hand aus. »Guten Abend. Ich bin Oskar und das ist Rico.«
    Sie schüttelte ihm die Hand, drehte sich um und rief über die Schulter: »Es ist der Kleine von unten, von dem du so viel erzählt hast. Mit seinem Freund und einem Teddybären.«
    Sie wandte sich wieder uns zu. »Simon kommt gleich. Er hat die ganze Woche Nachtdienst und –«
    Â»â€“ nur rasch geduscht«, sagte der Bühl und trat direkt hinter ihr aus dem Badezimmer. Seine schwarzen Haare glänzten nass und er hatte nichts an als ein weißes, um die Hüften geschlungenes Badetuch. Er war braun gebrannt, seine krachblauen Augen strahlten wie Winterhimmelsterne, die Narbe an seinem Kinn glänzte, und auf seiner Muskelbrust, genau über dem Herzen, prangte ein Tattoo von einem Skorpion, wie ich ihn aus meinem Tierlexikon kannte. Das hätte ich mir unter anderen Umständen bestimmt gerne näher angeschaut. Aber jetzt, in diesem Moment, beschloss ich, dass eigentlich der Bühl der Skorpion war, der seinen giftigen Stachel in meine und Mamas unschuldige Brüste

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