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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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versenkt hatte.
    Â»Hey, Oskar«, sagte er und grinste. »Hallo, Rico.«
    Er war also ein Ehebrecher. Dass er Mama noch gar nicht geheiratet hatte, spielte keine Rolle. Ich hatte mir schon hundert Mal ausgemalt, wie die beiden sich in der Kirche vor einem blumengeschmückten Altar abknutschten, während eine dicke Frau mit einem kleinen rosa Hütchen ein schönes Lied auf der Orgel spielte und Irina sich dabei die Augen ausheulte vor Rührung. Dann strömten alle Gäste raus in den strahlenden Sonnenschein und ich warf Reis oder anderes Gemüse durch die Gegend, und in meinen Augen standen auch Tränen des Glücks, aber gerade nur so, dass sie nicht überlaufen konnten.
    Und nun so was.
    Eine lächelnde Champagnertussi und ein nasser, halb nackter Bühl.
    Â»Rico?«, sagte er unsicher.
    Ich verzog keine Miene. Nicht mehr wegen dem Schock, sondern weil ich Halbitaliener bin. Halbitaliener können sehr würdevoll sein, und jetzt kratzte ich alle Würde zusammen, die ich hatte. Ich würde diesem Ehebrecher einen Brief schreiben, in dem drinstand, dass er sich bei uns nie wieder blickenlassen sollte und dass die Perlenkette wahrscheinlich gefälscht war und dass der Champagner nur vierzehn achtundneunzig gekostet hatte, mit freundlichen Grüßen.
    Â»Wir wollten nicht weiter stören«, sagte ich, »sondern nur gucken, ob Sie wieder zu Hause sind, und Hallo sagen –«
    Â»Hallo!«, sagte Oskar und hob den Arm des Bärchens hoch.
    Â»â€“ aber es ist ja schon sehr spät, Mama würde uns was husten, wir kleinen Schlawiner gehören längst ins Bett, also Wiedersehen.«
    Die Frau legte sich eine Hand vor den Mund und drehte sich zur Seite, damit wir nicht sehen konnten, wie sie heimlich losprustete. Sahen wir aber doch, bevor wir im nächsten Moment die Treppe runterstürmten.
    Â»Schönen Gruß an deine Mutter«, rief der Bühl uns nach. »Ich schau morgen mal bei euch rein!«
    Ha, ganz bestimmt!
    Nur über meine tote Leiche.

    Ich hatte ja schon nach den falsch rum angezogenen Klamotten bei Miss Marple das Gefühl gehabt, dass alle möglichen Hormone durch mich zischten und mir auf der Suche nach irgendwas zum Andocken lauter Sprünge und Risse verpassten. Die Sache mit dem Bühl gab mir endgültig den Rest.  
    Â»Diese Champagnertussi hat seit heute Mittag bei ihm rumgehangen!«, schnaubte ich, nachdem ich uns in die Wohnung eingelassen hatte. »Wer weiß, was die miteinander gemacht haben, als die Flasche alle war! Ich glaube, ich brauch einen von Fitzkes Betablockern.«
    Â»Und ich glaube«, versuchte Oskar mich zu beruhigen, »dass es keinen Zweck hat, sich aufzuregen, und wir lieber endlich nach der Handtasche suchen sollten.«
    Â»Und wenn ich ’nen Herzinfarkt kriege?«
    Â»Kann ich die Tabletten immer noch holen.«
    Â»Weißt du, wie ein Herz funktioniert?«
    Â»Nein. Aber es ist ein komplizierter mehrkammeriger Hohlmuskel. Kommst du?«
    Er stapfte vor mir her in Mamas Schlafzimmer. Wir fanden die Handtasche nicht. Wir konnten sie auch gar nicht finden, denn Mamas Kleiderschrank war abgeschlossen. Ich saß auf dem Bett, genau auf dem Kopf vom Delfin auf Mamas Lieblingsbettzeug, und sah Oskar dabei zu, wie er kräftig an den Schranktüren rüttelte. Neben ihm lag der Teddybär auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten. Auf dem Nachttisch stand eine bauchige Vase mit einem Strauß vertrockneter weißer Rosen drin, wahrscheinlich von irgendeinem nervigen Verehrer aus dem Club. Alles sehr desolat.  
    DESOLAT : Trostlos, traurig und im Eimer. Oder vielleicht ein trauriger, trostloser Eimer – es kommt eigentlich aufs selbe raus. Vor allem, wenn der Eimer auch noch ein Loch im Boden hat.
    Â»Ist der Schrank immer abgeschlossen?«, sagte Oskar.
    Â»Weiß ich nicht. Ich war da noch nie dran.«
    Â»Wo könnte der Schlüssel sein?«
    Ich sah mich halbherzig um – Nachttischchen, die Kommode, zwei Korbstühle, ein aufgestellter Spiegel – und zuckte dann viertelherzig die Achseln. Mamas Schlafzimmer ging mich nichts an. Ich kam mir vor wie ein Verbrecher. Wenn ich hier noch länger herumsaß, würde mir derDelfin womöglich in den Hintern beißen, wie sich das für einen treuen Freund gehörte. Und für einen untreuen Sohn.
    Â»Dann können wir das hier wohl vergessen«, seufzte Oskar. »Wenn

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