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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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»Was denn?«
    Â»Ihren Benutzernamen und das Passwort gespeichert. Wie kann man nur so leichtsinnig sein?« Er schüttelte fassungslos den Kopf. Seine Stimme klang trotzdem enttäuscht. Wahrscheinlich hatte er sich schon darauf gefreut, das Passwort rausfinden zu müssen.
    Jetzt fanden wir, nur ein paar Klicks später, etwas anderes raus. Auf der Verkaufsseite waren zwei Fotos, die man beide vergrößern konnte. Das erste zeigte die Handtasche, die Mama gestern Abend gewonnen hatte. Mir fiel ihr Fotoapparat ein, mit dem sie mich ab und zu knipste, wenn wir spazieren gingen und dergleichen. Die Handtasche war, so stand es im Text, aus echtem Schlangenleder gefertigt. Das zweite Foto zeigte einen Zettel in irgendeiner fremden Sprache mit einem Stempel drauf.
    Â»Das ist ein Zertifikat«, sagte Oskar. »Hat wahrscheinlich direkt in der Tasche gesteckt.«
    Â»Wofür ist das?«
    Â»Es ist eine amtliche Urkunde, die beweist, dass das Lederfür die Tasche nicht von einem wild lebenden Tier stammt, sondern von einem eigens dafür gezüchteten.«
    Ich schaute auf den Preis für die Tasche. Es wurde dunkel um mich und ich hörte ein seltsames Geräusch. Es erklang immer wieder, aber erst als Oskar sich auf den Stuhl kniete und mir einen Arm um die Schulter legte, begriff ich, dass es aus meinem Hals kam.
    Oder vielleicht direkt aus meinem Herzen.

    Oskar fand im Telefonbuch im Internet auch noch die Adresse von der fürchterlichen Ellie raus. Irgendwie muss sie an ihre Handtaschen ja rankommen. Deshalb werden wir morgen, wenn wir ausgeschlafen haben, mit der U-Bahn nach Wilmersdorf fahren und ihr Haus am Ludwigkirchplatz beobachten.
    Falls ich überhaupt einschlafen kann.
    Falls ich überhaupt je wieder aufwachen will.

 
    Â 
    Es gibt so gut wie keine Graffiti in Wilmersdorf. Das fiel mir dort als Erstes auf. Kreuzberg sieht an vielen Ecken so verpinselt aus, als wären kleine Kinder mit explodierenden Farbkästen durch die Straßen gerannt, oder manchmal auch bloß explodierende Kinder. Einige der Bilder an den Häuserwänden sind bunt und richtig schön, andere sind gar keine Bilder, sondern nur Gekritzel und Krakeleien. Die einen mögen sie und die anderen nicht, aber ich glaube, den meisten Kreuzbergern fallen sie gar nicht mehr auf. Sie gehören einfach dazu.
    Wenn man es in Wilmersdorf bunt haben will, muss man den Kopf zwischen die Blumen in den gepflegten kleinen Vorgärten stecken. Man sieht den Häusern mit den sauberen Stuckfassaden an, dass ihre Bewohner es gerne ruhig haben und ordentlich und sauber. Oskar und ich fielen zwischen so viel Nettigkeit auf wie Kirschen auf einer Sahnetorte.
    SCHWARZWÄLDER KIRSCH : Die weltberühmte Torte aus Schokoböden mit Sahne dazwischen und Schokoraspeln und Kirschen drauf. Heißt so, weil früher die Mädels im Schwarzwald so aussahen. Sie trugen ein schwarzes Kleid, eine weiße Bluse und einen witzigen Hut voller roter, bommeliger Kugeldinger. Deshalb nennen manche Männer eine Frau manchmal Torte oder Sahneschnitte.
    Es schien in Wilmersdorf nicht angesagt zu sein, dass zwei kleine Jungs an einem schönen Sommermorgen allein durch die Gegend schubberten. Wir wurden misstrauisch angestarrt, aber vielleicht lag das auch bloß daran, dass Oskar mit seiner viel zu großen Sonnenbrille völlig bekloppt aussah und ich mit den an meinem Gürtel baumelnden Plastikhandschellen noch bekloppter. Die Dinger hätte ich eigentlich im Klo runterspülen sollen, da sie ein Geschenk vom B waren – ich kann ihn leider nicht mehr Bühl nennen, weil ich seinen Namen seit gestern hoffnungslos verachte. Aber ich wollte für alle Fälle gerüstet sein. Wenn es mit der geplanten Verfolgung klappte und wir die fürchterliche Ellie wirklich beim Taschenklauen oder dergleichen erwischten, konnte ich sie vielleicht fesseln. Oder ich konnte mich selber irgendwo schnell anketten, falls sie mich erwischte und wegschleppen wollte.
    Wir waren mit der U-Bahn bis Spichernstraße gefahren und hatten den Rest des Wegs zum Ludwigkirchplatz zu Fuß zurückgelegt. Die Kirche von diesem Ludwig ist sehr hübsch, wie aus rostroten Legosteinen zusammengesetzt, und ihr spitzer grüner Turm glänzt im Sonnenlicht, als wäre er frisch lackiert. Um einen Vorplatz mit Holzbänken stehen Büsche und Bäume herum, alles sehr adrett.
    Wir setzten uns auf eine der Bänke. Autos, auf

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