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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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deine Mutter die Tasche vor dir oder sonst wem verbergen will, hat sie den Schlüssel bestimmt bei sich.«
    Ich nickte bloß. Dann fiel mir etwas ein, auf das ich schon viel früher hätte kommen können: Es gab noch eine andere Möglichkeit für uns, die Tasche anzusehen. Mit einem begeisterten kleinen Schrei sprang ich auf. »Komm mit!«
    Ich rannte vor Oskar her ins Wohnzimmer, stellte den Computer an und setzte mich davor. Der PC legte mit einem leisen Surren los und all die vielen Ratterzeichen, die beim Starten auftauchen, rollten hintereinanderweg über den Monitor.
    Â»Ah, clever.« Oskar schaute mir über die Schulter. »Meinst du, sie hat die Tasche schon bei eBay zur Versteigerung angeboten?«
    Ich nickte. »Gestern Nacht, als ich Tagebuch geschrieben habe –«
    Â»Du schreibst Tagebuch?«
    Â»Manchmal. Aber mit Rechtschreibprüfung.« Ich beugte mich dicht vor den Monitor, damit er meine roten Ohren nicht sehen konnte. »Gestern Abend ist Mama jedenfalls hier noch dran gewesen. Kennst du dich mit eBay aus?«
    Â»Klar, wegen Büchern und so. Und das Sonnensystem an meinem Fenster hab ich auch da her. Außer mir wolltees keiner, deshalb hab ich’s für einen Euro gekriegt«, fügte er stolz hinzu. »Toll, oder?«
    Ich nickte. Inzwischen war der PC fertig hochgefahren. Der große Wal war zu sehen, das W und die vier bunten eBay-Buchstaben und all die anderen Zeichen und Symbole. Ich klickte auf die Verbindung ins Internet, dann stand ich vom Stuhl auf und ließ Oskar ran. »Jetzt du. Ich kenn mich damit nicht aus. Ich werd ganz wuschig davon.«
    Das stimmte nur halb. Die einzigen Seiten im Internet, die mich wuschig machen, sind die mit den nackten Frauen, die ganz von allein erscheinen, und dann weiß man nicht mehr, wie man sie wieder loswerden soll, weil für jeden weggeklickten Busen zwei neue erscheinen. Es ist wie bei diesem griechischen Ungeheuer mit den neun Köpfen, der schrecklichen Hydra. Sie lebte in einem stinkigen Sumpf, kam aber ab und zu an Land, um den Bauern ihre Schafe und Kühe wegzufressen und meistens die Bauern gleich noch hinterher. Eines Tages aber kam Herr Kuhles daher und hackte ihr mit seinem Schwert jeden Kopf einzeln ab, auch wenn ihm das zunächst nichts nützte. Für jeden abgehackten Kopf wuchsen der Hydra nämlich zwei neue, und wenn der Kuhles diese zwei abhackte, kamen dafür … noch mehr. Es wurde für ihn also immer schwieriger. Erst als ein Kumpel von ihm mit einer Fackel dem Ungeheuer die Halsstümpfe verschmorte, war Schluss mit dem Quatsch. Zuletzt schlug der Kuhles die tote Hydra in der Mitte entzwei und tauchte seine Pfeile in ihr giftiges Blut, das keine Wunde mehr heilen ließ, um beiseinem nächsten Abenteuer besser gewappnet zu sein. Also, extrem cool.
    COOL : Ich dachte früher immer, es wäre ein englisches Wort, aber die Engländer haben es nur von den Griechen geklaut. Es stammt offenbar direkt von Herrn Kuhles.
    Abgesehen von den Hydrabusen komme ich im Internet prima klar. Es gibt zum Beispiel eine super Seite über Jack Russells und eine andere tolle Seite über Schokolade, wo sie herkommt und wie sie hergestellt wird und dergleichen, mit sehr nahrhaften Bildern. Trotzdem wollte ich unsere Spurensuche lieber Oskar überlassen. Es hatte sich fürchterlich angefühlt, in Mamas Schlafzimmer rumzuschnüffeln. Fast war ich froh gewesen, dass wir den Schlüssel für ihren Kleiderschrank nicht gefunden hatten. Jetzt in ihrem eBay herumzustöbern war kein bisschen besser. In meinem Bauch war ein schlechtes Gefühl, wie vor einer Mathearbeit. Und da war noch ein zweites Gefühl, ein schlimmeres, das in mir herumflatterte wie ein schwarzer Schmetterling: Wenn jetzt herauskommen sollte, dass Mama tatsächlich teure Handtaschen für die fürchterliche Ellie verkaufte … was konnten wir dann tun, um ihr zu helfen? Was auch immer diese wandbeckische Mistkuh gegen sie in der Hand hatte, mussteetwas sehr, sehr Schlimmes sein, sonst hätte Mama sich längst selber helfen können. Und ein Teil von mir wollte nicht wissen, was dieses Schlimme war. Jetzt nicht und überhaupt niemals.
    Es dauerte gerade mal drei Sekunden, dann war Oskar auf der Startseite von eBay. Er schob die Maus hin und her und klickte. »Bin mal gespannt, ob deine Mutter … na bitte, sie hat!«
    Ich beugte mich neugierig vor.

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