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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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drin war, hatte sie mich noch Spaghetti-Spasti genannt.
    Weiber!
    Unten rumste es, als Mele und Afra in ihrer Wohnungverschwanden. Fast gleichzeitig klackte es, weil ich bereits geklingelt hatte und Frau Dahling uns jetzt die Tür aufmachte.
    Â»Ah, meine Gäste!«, begrüßte sie uns strahlend.
    Oskar gab ihr höflich die Hand. Ich musterte sie völlig verblüfft und überlegte kurz, ob es eine Verschwörung im Haus gab. Erst hatte sich Fitzke aufgedonnert und nun auch noch Frau Dahling. Sie musste beim Friseur gewesen sein, denn statt ihrer üblichen Locken trug sie einen schicken Kurzhaarschnitt mit Strähnchen drin, und ihre –
    Â»Was haben Sie mit Ihren Augenbrauen gemacht?«
    Â»Zupfen lassen.« Ihr Blick wurde besorgt. »Gefällt’s dir nicht?«
    Â»Doch. Ich finde, Sie sehen mindestens zehn Jahre jünger aus.«
    Â»Zehn Jahre jünger als was?«, sagte sie sofort misstrauisch.
    Â»Als vorher.«
    Sie lächelte zufrieden und ich atmete erleichtert auf. Das war knapp gewesen. Irina hatte mir mal einen Trick erklärt, den man benutzen muss, wenn man mit einer Frau über ihr Alter redet: Erst überlegt man, für wie alt man die Frau wirklich hält. Davon zieht man schnell fünf oder sechs Jahre ab. Wenn man dann sagt, Sie sehen zehn Jahre jünger aus – es können auch elf oder zwölf sein, aber man sollte es nicht übertreiben –, muss man diese Zahl noch zusätzlich abziehen. Bis dahin hat man aber womöglich vergessen, mit welcher man überhaupt angefangen hat. Für mich, beschlossich jetzt, war es deshalb kein guter Trick. Er beunruhigte bloß die Bingokugeln, die seit gestern sowieso schon ständig in meinem Kopf herumkullerten wie kleine Handgranaten.
    Zusätzlich zu ihrem Gezupfe und der neuen Frisur trug Frau Dahling auch noch ein hübsches Kleid mit bunten Blümchen drauf. Ich fand, sie ähnelte jetzt Oskars Luftmatratze, nur dass sie an Stelle der dicken Luftrippen kleine Speckröllchen hatte. Aber es strahlte auch noch etwas Schönes von ihr aus, das nichts mit ihrem neuen Äußeren zu tun hatte: Es war die größte Abwesenheit von grauem Gefühl, die ich je bei Frau Dahling erlebt hatte.
    Â»Was ist, wollt ihr nicht endlich reinkommen?«, forderte sie uns auf. »Wir können natürlich auch im Treppenhaus feiern. Aber das Essen steht im Wohnzimmer.«
    Sie rückte beiseite, ließ Oskar und mich eintreten und schloss die Tür. Ich fand es sehr höflich von ihr, dass sie mit keinem Pieps Oskars Sonnenbrille erwähnte, auch nicht, als er mit dem Knie gegen die Kommode in ihrem düsteren Flur stieß, weil er zu wenig sah. Stattdessen zeigte sie auf seinen Teddy.
    Â»Als ich so alt war wie du, hab ich meine Puppe auch überallhin mitgenommen.« Oskar wollte etwas entgegnen, aber sie redete einfach weiter. »Hab sie leider bei einem Schiffsausflug verloren, auf dem Müggelsee – zu weit übers Geländer gebeugt, und platsch, weg war sie. Hübsches Ding. Aber das Bärchen ist auch sehr niedlich.«
    Â»Es heißt Reling«, sagte Oskar und rieb sich das Knie.
    Â»Hübscher Name«, sagte Frau Dahling. »Dänisch?«
    Ich hatte ihr letzte Woche erzählt, dass Oskar die Wikinger besuchte. Aber Oskar gab ihr keine Antwort. Wir mussten nämlich zwischen den Kitschbildchen im Flur durch, und er musterte entgeistert das Bild mit dem kleinen Mädchen drauf, das vor dem Eiffelturm im Regen steht und dem eine Träne aus dem Auge rollt. Sein Mund stand ein klein wenig offen und seine Nasenflügel bebten leicht, als müsste er gleich niesen. Ich verpasste ihm einen unauffälligen Schubs. Ich finde die Bilder auch fürchterlich, aber Frau Dahling liebt sie nun mal, denn andere Kinder als die an den Wänden hat sie nicht. Gott sei Dank riss Oskar sich sofort zusammen und ging weiter, vor mir her ins Wohnzimmer.
    In den Müffelchenhimmel.
    Â»Hammer!«, flüsterte ich.
    Sonst gab es immer nur eine, höchstens zwei Sorten Müffelchen mit Ei oder Wurst oder Fisch. Ein paar Gürkchen dazu oder geschnippelte Tomate, fertig. Heute gab es mindestens zehn verschiedene Sorten, und sie waren lecker zurechtgemacht mit Kräutergefrissel obendrauf und mittendrin, mit Mayonnaise und Remoulade und Paprikastreifen in Gelb und Grün und Rot und Oliven in Schwarz und Grün und Peperoni und Silberzwiebelchen dazu.

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