Rico, Oskar und das Herzgebreche
Bude herrschte nicht viel Betrieb â seit wir mit dem Taxi angekommen waren, hatten nur vier lärmende türkische Jungs was gegessen und anschlieÃend Oskar, der noch nie Falafel probiert hatte. Der Besitzer war ein netter älterer Mann, der Akgüner hieÃ. Das bedeutete wenn es morgens sehr hell ist, hatte er uns erklärt, was ich hübsch fand, zumal er uns nicht neugierig gefragt hatte, was wir nachts im sehr Dunkeln hier machten.
»Da, schon wieder einer!«, murmelte Frau Dahling.
Ich schaute rüber zum Club, wo ein Mann auf den Klingelknopf neben der knallroten Tür drückte. Ãber der Tür war eine rosafarben blinkende Neonschrift angebracht: Mausefalle. Ein glatziger Kopf wurde sichtbar, als der bullige Kerl öffnete, den wir inzwischen schon mehrfach gesehen hatten. Er war der Reinlasser, aber bestimmt auch gleichzeitig der RausschmeiÃer, falls es mal Stress gab mit einem Besoffenen und dergleichen. Der Gast verschwand nach drinnen, die Tür fiel wieder zu.
Nachdem ich sie ewig lang damit genervt hatte, dass ich den Club endlich mal sehen wollte, hatten Mama und Irina ihn mir letztes Jahr kurz gezeigt, aber nur von auÃen, im Vorbeifahren. Selber hätte ich ihn nie wiedergefunden, aber Frau Dahling kannte die Adresse â Mama hatte sie ihr gegeben, für Notfälle. Tagsüber hatte der Club mich nicht beeindruckt. Das zweigeschossige Gebäude wirkte ziemlich eingequetscht zwischen den umgebenden Altbauten â noch so eine Ballerlücke aus dem Krieg, genau wie das Haus von Oskar in der Ansbacher.
Doch jetzt, mitten in der Nacht, umgeben von funzeliger StraÃenbeleuchtung und hinter Schleiern aus Regen, sah der Laden todschick aus. Drei kleine Scheinwerfer, unter der Dachrinne montiert, bestrahlten die undurchsichtige, durchgehende Fensterfront, auf der Bilder von Palmen und einem Strand klebten und von Frauen in knappen Bikinis. Freundliche Atmosphäre stand neben einer Palme, und die Frauen lächelten einen verführerisch an, als wollten sie sagen: He, junger Mann, komm doch mal an unseren sonnigen Clubstrand, es gibt hier leckere Erfrischungsgetränke!
In der roten Eingangstür war ein Guckloch drin, und zusätzlich gab es eine winzige Kamera, oben in einer Ecke. Wer reinwollte, stellte sich vor das Guckloch. Vor einer Viertelstunde hatte sogar ein Gast gegrinst und in die Kamera gewinkt.
»Also, dass so ein Laden dermaÃen ferkel⦠frequentiert wird«, murmelte Frau Dahling.
»Was heiÃt frequentiert?«
»Aufgesucht«, erklärte Oskar, der sich gerade mit unzähligen Papierservietten die Falafelfinger abwischte. Ich nickte und strahlte. Ich war richtig stolz auf Mama und auch auf Irina, dass sie so viele Besucher hatten, denn das bedeutete, dass sie ihren Job prima erledigten. Aber Oskar strahlte nicht zurück. Er warf die Servietten in einen Papierkorb und sagte: »Diese Mausefalle ist verrucht. Da sind Frauen drin, die ihre Körper an Männer verkaufen müssen. Für Sexualität.«
Ich blitzte ihn an. »Sie machen ihnen bloà ein paar schöne Stunden! Und sie müssen gar nicht!«
»Wenn die Stunden für die Frauen auch schön wären, würden sie ja wohl kein Geld dafür nehmen, oder?«
Ich konnte ihn nicht leiden, wie er da mit rotem Kopf vor mir stand und so was sagte. Ich musste an den Lawottny denken und spürte gleichzeitig, wie nicht nur die Bingokugeln in meinem Kopf herumzukullern begannen, sondern auch das Regal mit dem Schildkrötenkästchen bedenklich ins Wackeln geriet. Wenn Oskar nicht aufpasste, würde ich ihm gleich eine klatschen.
Als spürte er, was in mir vorging, wurde er plötzlich leise. »Ich hab ja nicht gesagt, dass die Frauen deswegen doof sind.«
»Mama ist sowieso nur die Geschäftsführerin«, erwiderte ich trotzig. Ich wandte mich Hilfe suchend an Frau Dahling. »Ist sie doch, stimmtâs?«
»Frag sie selber«, nuschelte Frau Dahling. »Ich bin bloà Fleischfachverkäuferin. So ein Irrsinn. Ich brauch was zu trinken.«
»Ich auch«, sagte Oskar und stellte sich neben sie an die Dönertheke. Frau Dahling bestellte eine Cola mit einem winzigen Schlückchen Whisky drin und Oskar begann eine leise Debatte mit Akgüner, weil der keinen frisch gepressten Karottensaft im Sortiment hatte. Ich wandte mich ab. Ich wusste sowieso, wer gewinnen würde.
Es war langweilig, einfach
Weitere Kostenlose Bücher