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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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ging nicht – Fitzke knallte uns unvermittelt die Tür ins Gesicht. Oskar machte einen erschreckten Hüpfer rückwärts, stolperte und landete auf dem Hintern. Ich drehte mich zu ihm um. »Was würde passen?«
    Â»Eine Zwangsjacke!«, schnaubte er empört. »Der gehört in Behandlung!«
    Ich half ihm auf. Als er wieder stand, quetschte er die Beine zusammen. »Jetzt hätte ich mich fast nass gemacht.«  
    Ich musste auch, aber als wir im Zweiten angekommen waren und ich uns aufgeschlossen hatte, ließ ich Oskar den Vortritt. »Denk an die Bremsstreifen«, sagte ich.
    Er verzog sich mit rotem Kopf in die Toilette.
    Ich trapste rasch durch die Wohnung und guckte in jedes Zimmer. Mama hatte ausnahmsweise mein Bett und Oskars Luftmatratze gemacht und ihm sein Bärchen aufs Kopfkissen gelegt, aber sie war nicht mehr da, was mich ein wenig erleichterte. Falls sie uns jetzt gefragt hätte, wo wir gewesen waren, hätte ich sie anlügen müssen, und das kann ich nicht.Dann fiel mir ein, dass sie es schließlich auch geschafft hatte, mir nichts über ihre Erpressung zu sagen, und für einen kurzen Moment wurde ich wieder sauer, nur um gleich darauf wieder traurig zu werden. Im Kopf war das so, dass die Bingokugeln kurz rot wurden und klackerten, dann grau wurden und wieder aufhörten, dann wieder rot wurden und klackerten und so weiter. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass diese Erpressung aufhörte. So viele Nüsschen konnte kein Mensch essen, um bei so viel Rot-Grau-Rot die Nerven zu behalten.
    Auf dem Küchentisch lagen ein Zettel und ein Kugelschreiber, daneben stand eine große Büchse Ravioli. Ich schnappte mir den Zettel. Bin doch mit Irina losgezogen, stand in vornehmer Schrift darauf. Wir suchen das blaue Kleid, kann also später werden. Vielleicht fahren wir auch aus der Stadt direkt in den Club. Kuss, Mama. Darunter stand PS: Macht Euch die Ravioli heiß, wenn Ihr mögt. Morgen koche ich uns was. Hab Euch lieb, Küsschen.
    Ich schluckte. Fast hätte ich angefangen zu heulen, aber ich riss mich zusammen. Ich drehte den Zettel um und kritzelte, für den Fall, dass Mama doch zurückkam, auf die Rückseite: Sind bei Frau Dahling zum Müffelchenabend, bitte nicht stören. Bis morgen oder schon heute, dein treuer Rico und Oskar.
    Ich legte den Zettel zurück auf den Küchentisch.
    Und kam mir dabei vor wie der größte Verräter aller Zeiten.
    Manchmal wünschte ich mir wirklich, ich wäre mir nie begegnet. Aber früher oder später wäre ich mir bestimmt doch über den Weg gelaufen.

    Wir machten die Ravioli heiß und fielen darüber her. Danach setzte Oskar sich in den Nachdenksessel, und dort sitzt er immer noch und blättert in meinem Tierlexikon. Ich pflanzte mich an den Computer, um die vielfältigen Ereignisse des Tages einzutragen und um über Kästchen nachzudenken, und seitdem sitze ich auch immer noch hier herum.
    Eigentlich hätte ich gern, außer dem Schildkrötenkästchen, zusätzlich eins für Wut und dann noch eins für die schwarzen Gefühle wegen Jule. Aber das wären schon drei Kästchen, und ich frage mich, ob es gut ist, so viele davon zu haben. Es wäre sicher sehr bequem, erst mal alles in sie reinzupacken, was mich nervt oder traurig macht, und abzuwarten, bis daraus Bingokugeln geworden sind. Allerdings könnte es sein, dass ich dann vor lauter neuen Kugeln irgendwann eine zweite Trommel brauche, obwohl die erste mich manchmal schon völlig wahnsinnig macht. Plus, Bingokugeln sind ja alle gleich rund, weshalb ich irgendwann nicht mehr wissen würde, aus welchem Gefühl heraus sie entstanden sind, und das gäbe Schwierigkeiten, wenn ich endlich mal Zeit und Mut genug hätte, sie zu sortieren.
    Mann, Mann, Mann!
    Ich muss da später noch mal gründlich drüber nachdenken. Jetzt wäre zwar noch ausreichend Zeit, weil Herr van Scherten ja frühestens gegen Mitternacht im Club sein will. Nur sollten wir diese Zeit vielleicht besser nutzen und endlich raufgehen zu Frau Dahling, die noch keine Ahnung davon hat, dass sie Teil von Plan D oder E ist. Aber Oskar scheint es vor lauter Lexikonviechern vergessen zu haben, und ich trau mich nicht richtig. Frau Dahling war gestern Abend so glücklich, da will ich ihr heute nicht die Laune verderben. Andererseits … Sie findet Miss Marple ja auch toll, und jetzt könnte sie

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