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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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konnte er sich von einem der frommen Herren die Summe borgen. Obwohl er sich im Schutz eines Fuhrwerks bewegte, gelang es ihm auf der Mainbrücke nicht, unbemerkt am Zollhaus vorbeizukommen. Die Frau des Zöllners entdeckte ihn im letzten Moment. Alles Bitten und Schmeicheln half nichts, sie blieb hart, und er musste den üblichen Pfennig bezahlen wie jeder Fußgänger. Nur wer Bürgerrecht in Würzburg besaß, durfte kostenlos über die Brücke.
Ohne bei den Wächtern am unteren Tor auf einen Schwatz zu bleiben, stieg Bermeter den buschgesäumten Pfad hinauf zum Schloss. Er hatte bereits die Hälfte der steilen Steigung geschafft, als sich rechter Hand aus dem Strauchwerk einer der Knappen des Ritters löste und ihm den Weg versperrte. »Wo ist die junge Frau?«
»Das mit dem Weib hat nicht geklappt.« Auf dem Absatz drehte Bermeter um, wollte wieder hinunter. Doch der zweite Waffenknecht stand da, breit, kaum bewegte er die Lippen. »Hast du das Geld?«
»Ich kann’s erklären, glaubt mir. Gebt mir noch etwas Zeit.«
Sie aber wollten nichts hören, wollten nicht warten. Die Knappen packten ihn, zwei gewaltige Fausthiebe genügten, um jedes Schreien zu verhindern, sie schleiften Bermeter durch die hell grünenden Büsche auf einen geschützten Wiesenfleck und richteten ihr Opfer zwischen sich auf. Schleuderte der eine Hieb den Spielmann zurück, so trieb ihn der nächste wieder nach vorn, Fußtritte zwischen die Beine, in den Leib; als er in die Knie brach, nicht mehr aufstehen konnte, prügelten sie mit Stöcken auf ihn ein, bis er zusammengekrümmt auf der Wiese lag. Sein Gesicht hatten die Knappen verschont.
Einer von ihnen riss den Kopf an den Haaren hoch. »Du hast Glück, Hofratte, dass wir das Gastrecht nicht brechen dürfen. Deshalb haben wir dir nur einen freundlichen Abschiedsgruß von unserm Herrn verabreicht. Aber sollten wir dich irgendwo außerhalb von Würzburg treffen, dann zahlst du deine Spielschulden, oder wir reißen dich an den Füßen in zwei Hälften auseinander.«
Erst nach einer Stunde gelang es Bermeter, sich aufzurichten. Immer wieder knickte er ein, musste sich an den Sträuchern festhalten, um nicht den abschüssigen Pfad hinunterzustürzen. Auf die Fragen der Torwächter sagte er nur, dass ihm elend sei, und erst auf der anderen Seite des Mains, innerhalb der Mauern von Würzburg, hatte er gewagt, sich auszuruhen. Viel später dann war er Schritt für Schritt eng an Hauswänden entlang zum Judenkirchhof getappt.

3

S eit dem frühen Vormittag brannte die Julisonne unbarmherzig vom blauleeren Himmel; das Weinlaub an den Hängen atmete Hitze aus, und träge zog unten der Main. Kein Lufthauch brachte Linderung in die Stadt. Von Stunde zu Stunde mehr wurde Licht zur Qual und Schatten zum Geschenk. Sommertag in Würzburg.
Weit standen die hohen Flügeltüren der Werkstatt offen. Im Eingang zerteilten zwei Gesellen einen mannshohen Lindenstamm. Sie hatten ihre Kittel abgelegt, mit bloßem Oberkörper trieben sie Keile ins Holz, sägten und schwangen die Axt. Weiter drinnen, in der Steinhalle, stieg feiner Staub von der breiten Werkbank auf, legte sich grau auf Lippen und Brauen.
Erneut setzte Meister Til den Spitzmeißel neben der Kniewölbung an, kurz, beinah behutsam, waren die Schläge mit dem hölzernen Klüpfel, in kleinen Splittern wichen nach und nach die Überstände. Schweiß tropfte ihm von Nase und Kinn, bildete dunkle Flecke auf dem schon freigelegten weißen Oberschenkel und vertrocknete gleich wieder. »Gib mir das Zahneisen.«
Während ihm Tobias das Werkzeug reichte, ließ er den Blick langsam vom rechten Bein über den liegenden Block gleiten. Halb bedeckt schlief Eva noch im Stein. Deutlich zeigte sich schon die Wölbung des Bauches, leicht umschloss die rechte Hand den Granatapfel. Ihre Brüste, der Schoß und das Gesicht aber waren verborgen unter einer nur roh behauenen Schicht. »Hab Geduld, meine Schöne«, murmelte Til. »Bis ich dich aufwecke, wird es noch einige Zeit dauern.«
Er löste sich und befahl seinen Gesellen mit einem Wink zum benachbarten Werktisch. »Beim Schienbein brauche ich dich nicht. Es dauert, bis ich vom Grat genug abgetragen habe. Inzwischen kannst du am Sockel weiterarbeiten. Da ist noch kein Leben drin.«
Nur zögerlich ging Tobias hinüber, kratzte das Kinn und starrte auf den Block in der Sandkiste. Die achteckige Standfläche hatte er bereits geglättet, das Geflecht des Laubwerks, auch viele der Blätter waren ausgestaltet. Tobias griff

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