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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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nicht nach dem Klüpfel. »Meister …? Nur mit Durchbrechungen wird das Laub lebendig.«
»So ist es, Junge.« Die Stimme schien unbeteiligt, Til verglich die aufgemalten Umrisse des Unterschenkels mit der Kohlezeichnung seiner Vorlage.
»Meister …? Da muss ich bohren.«
»Richtig, Junge.«
Tobias sah Hilfe suchend hinüber. Gleich beugte sich der Meister noch tiefer über das Bein der Eva. Sein Geselle schluckte, ehe er wagte weiterzusprechen: »Und wenn ein Blattmotiv abbricht? Ich mein, beim Bohren.«
»Wehe dir …« Keine zornige Warnung, eher eine Mahnung. Ohne aufzublicken, setzte Til hinzu: »Dann beginnst du wieder von vorn. Den neuen Block werde ich dir vom Lohn abziehen. Aber Schluss damit. Sobald ein guter Bildhauer den Stein berührt, darf er nicht mehr ans Versagen denken. Nicht das Werkzeug, Junge, der Kopf zerstört. Und nun beginn endlich.«
Tobias seufzte schwer, griff nach dem Bogen und drehte das Spindeleisen in die Sehne: Bald sirrte die Spitze. Heftig blies er gegen den aufsteigenden Staub, hustete, doch seine Führungshand zitterte nicht. Unbemerkt beobachtete ihn sein Meister aus den Augenwinkeln. Als Tobias das erste Loch mit Wasser ausspülte, die Ränder des zarten Blattes daneben prüfte und erleichtert nickte, nickte auch Til vor sich hin und setzte das Kammeisen an Evas Schienbein. Schweigend arbeiteten sie weiter. Axtschläge, das Pochen des Klüpfels vermischt mit dem Schaben des Bohrers wurden Rhythmus und Melodie der Werkstatt und erfüllten den Vormittag.
Später, gut eine Stunde vor dem Mittagsläuten, kam Anna eilig ins Querhaus, eilte durch die Schnitzerei und rief vom Durchgang zur Steinhalle aus: »Besuch! Hörst du nicht, Mann? Besuch ist da!«
Keine unnötige Störung bei der Arbeit. Wie oft schon hatte er seine Frau darum gebeten, sie ermahnt, manchmal sogar war er laut geworden, doch ohne großen Erfolg. Ungehalten wandte Til den Kopf. »Wer es auch ist, er soll warten.«
»Aber, Riemenschneider!« Anna kam schnaufend zur Werkbank. »Sei nicht unhöflich. Unser oberster Bürgermeister will dich sprechen.«
Die Faust mit dem Klüpfel sank. »Du meinst Georg Suppan? Er ist hier?«
Anna nickte, bedachte die Skulptur mit einem kurzen empörten Blick, dann verschränkte sie die Arme unter dem Busen. »Und sehr vergnügt scheint er mir nicht zu sein.«
»Daran ist die Hitze schuld«, murmelte Til und legte das Werkzeug beiseite. »Nur die Hitze, Frau, was sollte sonst schon sein?«
»Hoffentlich, Mann.« Annas Stimme sank ins Düstere. »Nicht dass er wegen dieser … dieser Schandtat hergekommen ist.«
»Schweig.« Sein Finger deutete mehrmals auf sie. »Ich bitte dich, schweig.« Mit großen Schritten eilte Til aus dem Steinsaal, und so rasch es ihre Körperfülle erlaubte, folgte ihm Anna wie ein mahnendes Gewissen.
Vom Schweiß schier aufgeweicht, stand der Bürgermeister im Innenhof. »Verzeih, Meister, wenn ich störe …«
»Aber nein, Georg.« Til sah ins gerötete Gesicht, die Augen wichen seinem Blick aus. »Komm in den Schatten.« Er führte den Gast zu Tisch und Bank vor dem Haupthaus.
Ächzend ließ sich der Bürgermeister nieder, öffnete den Kragen und trocknete sich mit dem Schnupftuch Hals und Nacken. »Ich will dich nicht lange aufhalten …«
»Ist schon in Ordnung«, unterbrach Til hastig, er spürte das Unangenehme und wollte Zeit gewinnen. Schuf er eine Skulptur, so öffnete er ihr sein Innerstes, war verwundbar, und er benötigte genügend Atem, um sich zu lösen und wieder zu wappnen. »Möchtest du Wein?«
Der Besucher schüttelte den Kopf. »Du weißt, wie sehr ich einen guten Tropfen schätze, aber …«
»Du hast recht, es ist auch viel zu heiß.« Til sah seine Frau an. »Dann also Wasser.«
Anna rührte sich nicht.
»Bitte«, betonte er.
Ohne Erfolg. Sie hielt den Mund erwartungsvoll geöffnet und schien bereit, jedem Vorwurf oder gar einer Anklage des Bürgermeisters beipflichten zu wollen.
Til hob die Stimme. »Die Magd soll uns Becher und einen Krug Wasser bringen. Und nun lass uns allein.« Härter noch setzte er hinzu: »Bitte, meine Liebe!«
Wie nach einem Schlag trat Anna zur Seite, lächelte erschrocken, nur mühsam bewahrte sie Würde und eilte ins Haus.
Georg Suppan sah ihr nach, dann nickte er dem Meister anerkennend zu. »Du hast dein Weib gut im Zaum.«
»Schön wäre es. Aber der Anschein täuscht. Meine Anna ist eine … eine sehr nachdrückliche Frau.«
»Oh, das kenne ich.« Seufzend lehnte sich der Gast zurück. »Weißt du,

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