Riemenschneider
durch den schmalen Gang setzte der Lochwirt hinzu: »Bequem dein ganzes Leben lang.« Er brach lauthals in Gelächter aus. Dann aber verstummte er jäh. Hinter ihm lachte noch jemand. Ungläubig wandte er sich um, hob die Laterne und beleuchtete das Gesicht des Gefangenen. »Du? Was grinst du?«
»Dein Scherz. Mir hat er gefallen.«
»Bist mir vielleicht einer. Morgen geht die Rübe ab, und du … Ach, was soll’s.« Der Aufseher stapfte weiter und brummte in sich hinein: »Das ist mein Gefängnis. Hier lache nur ich, sonst keiner.« Er riegelte die Todeszelle auf und nahm dem Gefangenen die Fußfesseln ab. »Da rein. Hier hast du mehr Platz, und ein Licht gibt’s auch. Scheißen kannst du da hinten.«
Bermeter sah sich um und trippelte bis zur hinteren Wand und wieder zurück. »Ein wahrer Palast. Und ich weiß, wovon ich spreche, schließlich bin ich jahrelang im bischöflichen Schloss aus und ein gegangen.«
»Wer’s glaubt.« Der Lochwirt rieb sich den Specknacken, abschätzend betrachtete er den Gefangenen. »Es ist so: Wir kommen heute gut miteinander aus, wenn du nicht schreist, um dich schlägst oder einen von meinen Leuten beißt …«
»Bin ich ein wildes Tier?«
»Nun halt endlich mal dein vorlautes Maul. Also, wenn du genug bezahlst, dann darfst du die Henkersmahlzeit bei mir oben in der Stube essen, ohne Fesseln an Händen und Füßen. Dafür nehm ich zwölf Schillinge. Wenn ich dir eine Mahlzeit besorgen soll, kostet das noch mal zwölf Schillinge und noch mal zwei Schillinge fürs Essen. Bohneneintopf könnte mein Weib kochen. Was ist nun?«
»Eine teure Herberge.« Bermeter pfiff anerkennend. »Muss wohl das beste Haus am Platze sein.«
»Kannst du bezahlen oder nicht?«
»Nun, im Moment fehlt mir das Geld. Aber meine Hausfrau wird kommen, sie bringt mir einen Topf mit Hasenklein. Weißt du, ich will es mir noch einmal gut schmecken lassen.« Gleich hob Bermeter beschwichtigend die Hand. »Nichts gegen den Eintopf deiner Gemahlin. Aber der eine mag eben dies und der andere das.«
Der Blick aus den leicht vorgequollenen Augen kühlte ab. »Den Hasen frisst du aber dann hier unten.« »So war das doch nicht gemeint. Im Gegenteil. Wenn meine Hausfrau das Essen bringt, dann bekomme ich genug Geld. Aber bitte, führ sie erst zu mir hier in die Zelle und lass uns einen Moment allein.«
»Geht nicht. Vor dem Gitter muss einer sitzen. Ist Vorschrift.«
»Zumindest soll er sich wegdrehen.« Bermeter schlug verschämt die Augen nieder und schabte mit dem Fuß über den gestampften Lehmboden. »Ich will sie zum letzten Mal herzen, sie küssen.«
»Dann mach ich das. Ich ertrag viel.«
»Gut. Und nach dem Essen …« Bermeter winkte ab. »Ach, was sind schon Pläne wert, wenn das Ende so nah ist.«
Der Lochwirt schüttelte leicht den Kopf. »So einen Vogel wie dich hatte ich noch nie im Käfig.«
Wie versprochen, brachte Lisbeth am späten Nachmittag das Essen zum Rathaus. Der Lochwirt nahm den Korb in Empfang, hob kurz das Tuch, fand keinen verdächtigen Gegenstand und war zufrieden. »Sobald es dunkel wird, hole ich deinen Mann rauf. Hier oben schmeckt es ihm besser.«
»Du bist sehr freundlich.« Lisbeth schenkte ihm ein trauriges Lächeln, und er benetzte die Unterlippe: »Schöne Frau, ich soll dich zu ihm ins Loch bringen, das hat er sich gewünscht. Und ich denke, ich bin keiner, der so was nicht versteht.« Er lud sie mit einer Armbewegung ein, ihm zu folgen, und aus dem Schwung heraus geriet seine Hand auf ihren Hintern und fasste kurz nach.
Lisbeth nahm es seufzend hin. Unten in den düsteren Gängen weinte sie leise, vor der Gittertür angelangt, sah sie ihren Hans hinter den Stäben auf der Bank hocken und schluchzte auf.
»Liebste Lisbeth!« Bermeter eilte ihr entgegen, umarmte sie. »Ich hatte schon Angst, du kämst nicht«, sagte er betont laut und winkte hinter ihrem Rücken dem Lochwirt, er solle sich umdrehen. Der aber stand breitbeinig da, die Augen schienen noch etwas weiter vorzuquellen, und seine Zunge spielte genüsslich mit der Unterlippe.
Bermeter zog seine Hausfrau die wenigen Schritte zur hinteren Wand. Neben der offenen Latrine hob er den Mund dicht an ihr Ohr. »Hast du alles mitgebracht?«
Sie nickte. Und er küsste sie dafür auf den Nacken. »Wo ist es?«
»Busen«, hauchte Lisbeth. »Drunter.«
Gleich herzte er sie, drehte sie mit dem Rücken zum Gitter und grub ihr tief in den Ausschnitt, fand aber nichts. Zwischen zwei Küssen zischte er: »Wo, verdammt?«
»Drunter. Am
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