Riemenschneider
Fürstbischof von Würzburg angezeigt. Ich sei der Haupträdelsführer der Unruhen, der Aufrührer. Ich hätte das Volk gegen den Fürsten aufgewiegelt. Meine gute Lisbeth, und so kam es, wie es kommen musste. Der Hohe Herr schickte sofort seinen Marschall und seinen Kanzler in die Reichsstadt zum Rat und verlangte meine Verhaftung.«
Magdalena überflog ängstlich die nächsten Zeilen, suchte nach Florians Namen, fand ihn nicht und schloss die Augen.
»Weiter …« Lisbeth berührte ihren Arm. »Oder ist der Brief schon zu Ende?«
»Entschuldige. Ich musste an meinen Jungen denken …«
»O Heilige Jungfrau.« Lisbeth schüttelte heftig den Kopf. »Nein, dem hübschen Burschen ist schon nichts zugestoßen. Ich fühle das.«
»In jedem Fall schreibt Bermeter nichts von ihm.« Magdalena nahm das Blatt wieder auf. »Meine gute Lisbeth, jetzt in dieser schweren Zeit, solltest du als treue Hausfrau in meiner Nähe sein und mir, so weit es möglich ist, beistehen. Deshalb komm ohne Zögern nach Nürnberg. Und vergiss nicht, mir alles aus dem Versteck mitzubringen, nur damit kannst du mir das Leben hier im Kerker erleichtern, denn der Lochwirt ist ein verständiger Mann. In treuer Liebe, dein Gatte. Geschrieben am 8. Juni 1527.«
Lisbeth runzelte die Stirn. »Was hat er gemeint? Da am Schluss?« »Er möchte, dass du ihm Geld mitbringst.«
»Alles? Nein, das kann er nicht verlangen. Ich hab’s so gut eingeteilt. Was ich im Keller gefunden hab, das reicht noch für ein paar Jahre, aber nur, wenn ich bescheiden lebe.«
»Wirst du denn nach Nürnberg reisen?«
Mit beiden Händen hob Lisbeth den mächtigen Busen. »Auch wenn dieser Schuft mich so lange alleingelassen hat.« Nachdenklich sah sie an sich hinunter, die Lippen rundeten sich. »Wenn er mich braucht … Und jetzt, da er dort so einsam ist … Ich geh ihn besuchen. Aber das ganze Geld? Nein, da werde ich streng sein.«
Aus der Regung heraus musste Magdalena ihr einen Kuss auf die Wange drücken. »Du bist viel zu gut für diesen Mann.« Gleich wieder ernst bat sie: »Schau dich nach Florian um. Bitte nur schauen, niemals fragen oder seinen Namen erwähnen. Vielleicht …«
»Aber wenn ich ihn treffe? Darf ich dann gar nichts sagen? Wir kennen uns doch gut.«
»Dann bestelle ihm …« Magdalena verbarg das Gesicht mit den Händen. Erst nach einer Weile sprach sie weiter: »Sag ihm, dass er zurückkommen kann, jederzeit. Sag ihm, dass hier Menschen sehnsüchtig auf ihn warten.«
Nach einem üppigen Mittagsmahl beim Sonnenwirt am Markt kehrten die Herren in den Gerichtssaal des Rathauses zurück. Die Stadt hatte sich bereit erklärt, alle Kosten des Prozesses zu übernehmen, so war die Verhandlung seit Anbeginn täglich zweimal unterbrochen worden, und in den Pausen hatten sich die Würzburger Gäste von den Nürnberger Ratsmitgliedern in die angesehensten Gasthäuser entführen lassen. Auch heute, am vorletzten Tag der Verhöre, sorgten Wein und Braten für beste Stimmung und gaben Kraft, die Verhandlung mit aller gebotenen Sorgfalt bis zum Ende durchzuführen. Ohnehin stand das Urteil schon lange fest. Es konnte nur eine einzige Strafe für das Verbrechen geben, darin waren sich alle einig. Den Vorsitz hatten die Nürnberger großzügig den beiden bischöflichen Gesandten überlassen, sie selbst saßen als Schöffen mit an der Richterbank.
»Lochwirt! Lass den Gefangenen wieder hereinbringen.«
Der untersetzte, specknackige Gefängnisaufseher stieß die schmale Tür an der hinteren Saalwand auf, ein Pfiff, und wenig später zog ein Wärter den Gefangenen an der Halskette vor den Richtertisch.
»Bitte, ihr hochwohlgeborenen Herren.« Ehe einer der Vorsitzenden die Verhandlung eröffnen konnte, ergriff Bermeter schon das Wort. Bis auf die verdreckte Kleidung hatte die Kerkerhaft kaum Spuren an ihm hinterlassen. Er neigte den Kopf zur Seite, seine Stimme vibrierte: »Bitte, erlaubt doch, dass mir die Fuß- und Handketten abgenommen werden. Ich kann aus dem Loch nicht entweichen. Niemand kann das. Habt Mitleid, bitte!«
Nach seiner Verhaftung hatte er sich sehr schnell der neuen Lage angepasst, die geschickt abgemessenen Geständnisse bewahrten ihn vor der scharfen Folter, und nie hatte er nachgelassen, immer neue Vorteile und Vergünstigungen für sich herauszuschlagen. »Hochwohlgeborene Herren, bitte haltet mir zugute, dass ich nicht verstockt und halsstarrig bin, sondern stets offen und ehrlich auf Eure Fragen geantwortet habe.«
Marschall Heinz saugte erst einen
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